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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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saßen und Leslie wieder einmal den Zettel mit dem Code aus dem Grünen Reiter studierte, kam Raphael angeschlendert, setzte sich ungefragt neben uns und sagte: »Oh, cool, Geocaching.«
    »Was?« Leslie sah ihn ungehalten an.
    Raphael deutete auf den Zettel. »Kennt ihr nicht Geocaching? So eine Art moderne Schnitzeljagd mit GPS. Die Zahlen sehen ganz wie geografische Koordinaten aus.«
    »Nein, das sind nur . . . wirklich?«
    »Lass mal sehen.« Raphael nahm ihr den Zettel aus der Hand. »Ja. Vorausgesetzt, die Null vor den Buchstaben ist eine hochgestellte Null und steht damit für
Grad.
Und die Striche für
Minuten
und
Sekunden.«
    Ein schriller Laut drang zu uns herüber. Cynthia redete auf der Treppe wild gestikulierend auf Charlotte ein, woraufhin Charlotte böse zu uns herüberschaute.
    »Oh Gott!« Leslie wurde ganz aufgeregt. »Dann heißt es 57
Grad, 30 Minuten, 41.78 Sekunden Nord und 0 Grad, 08 Minuten, 49.91 Sekunden Ost?«
    Raphael nickte.
    »Es bezeichnet also einen
Ort?«,
fragte ich.
    »Jaja«, sagte Raphael. »Einen ziemlich kleinen Ort von ungefähr vier Quadratmetern. Und - was gibt es da? Einen Cache?«
    »Wenn wir das wüssten«, sagte Leslie. »Wir wissen ja nicht mal, wo das ist.«
    Raphael zuckte mit den Schultern. »Das ist leicht herauszufinden.«
    »Und wie? Braucht man dafür ein GPS-Gerät? Und wie funktioniert so was? Ich habe davon keine Ahnung«, sagte Leslie aufgeregt.
    »Aber ich. Ich könnte dir dabei helfen«, sagte Raphael.
    »Mignonne.«
    Ich sah wieder hinüber zur Treppe. Dort stand jetzt auch noch Sarah neben Cynthia und Charlotte und alle drei starrten uns böse an. Leslie merkte nichts davon.
    »Okay. Aber es muss heute Nachmittag sein«, sagte sie. »Wir haben nämlich keine Zeit zu verlieren.«
    »Ich auch nicht«, sagte Raphael. »Treffen wir uns doch einfach um vier im Park. Bis dahin dürfte ich Charlotte irgendwie abgeschüttelt haben.«
    »Stell dir das mal nicht zu leicht vor.« Ich warf ihm einen mitleidigen Blick zu.
    Raphael grinste. »Ich glaube, du unterschätzt mich, kleines Zeitreise-Mädchen.«
     
    Wir können sehen, wie eine Tasse vom Tisch fällt und in Scherben geht, aber wir werden niemals sehen, wie sich eine Tasse zusammenfügt und auf den Tisch zurückspringt. Diese Zunahme der Unordnung oder Entropie unterscheidet die Vergangenheit von der Zukunft und verleiht der Zeit auf diese Weise eine Richtung.
     
    (Stephen Hawking)
     

12
    Ich hätte doch einfach das Kleid von letzter Woche anziehen können«, sagte ich, als Madame Rossini mir einen blassrosafarbenen Kleinmädchentraum überstreifte, der über und über mit creme- und bordeauxfarbenen Blüten bestickt war. »Das blau geblümte. Es hängt noch zu Hause im Schrank, Sie hätten nur was sagen müssen.«
    »Schscht, Schwanenhälschen«, sagte Madame Rossini. »Was meinst du, wozu ich hier bezahlt werde? Damit du zweimal dasselbe Kleid anziehen musst?« Sie widmete sich den kleinen Knöpfen am Rücken. »Ich bin nur ein wenig entsetzt, dass du deine Frisur zerstört hast! Im Rokoko musste so ein Kunstwerk tagelang halten. Die Damen schliefen extra im Sitzen.«
    »Naja, aber ich konnte wohl kaum so in die Schule gehen«, sagte ich. Wahrscheinlich wäre ich mit dem Haarberg schon in der Bustür hängen geblieben. »Wird Gideon von Giordano angekleidet?«
    Madame Rossini schnalzte mit der Zunge. »Pah! Der Junge braucht dafür keine Hilfe, sagt er! Das bedeutet, er wird wieder triste Farben tragen und das Halstuch unmöglich knüpfen. Aber ich habe es aufgegeben. So, was machen wir jetzt mit deinen Haaren? Ich hole schnell den Lockenstab und dann werden wir einfach ein Band hineinwinden, et bien.«
    Während Madame Rossini meine Haare mit dem Lockenstab bearbeitete, kam eine SMS von Leslie. »Warte noch genau zwei Minuten, wenn
le
petit francais
bis dahin nicht gekommen ist, kann er
mignonne
vergessen.«
    Ich schrieb zurück: »Hey, ihr seid erst in einer Viertelstunde miteinander verabredet! Gib ihm wenigstens noch zehn Minuten.«
    Leslies Antwort bekam ich nicht mehr mit, denn Madame Rossini nahm mir das Handy aus der Hand, um die schon obligatorischen Erinnerungsfotos zu schießen. Das Rosa stand mir besser als gedacht (im echten Leben war es so gar nicht meine Farbe ...), aber meine Frisur sah aus, als hätte ich die Nacht mit meinen Fingern in einer Steckdose verbracht. Das rosa Band darin wirkte wie ein vergeblicher Versuch, die explodierten Haare zu bändigen. Als Gideon kam, um mich

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