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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Soiree aufbrechen können.« Er lachte auf. »Wie das klingt: Eine Soiree am Sonntagmittag.«
    Ja, hahaha, sehr komisch. »Wo ist Gideon jetzt?«, fragte ich ungeduldig. »Im Krankenhaus?«
    »Nein. Er ruht sich aus - hoffe ich. Im Krankenhaus war er nur zur Computertomografie und da die Gott sei Dank ohne Befund war, hat er sich selber wieder entlassen. Er hat nämlich gestern Abend überraschend Besuch von seinem Bruder bekommen . . .«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Mr Whitman hat Raphael heute in Saint Lennox angemeldet.«
    Ich hörte Mr George tief seufzen. »Der Junge ist von zu Hause ausgerissen, nachdem er mit seinen Freunden irgendeinen Unsinn angestellt hatte. Eine verrückte Idee von Falk, Raphael in England zu behalten. In diesen turbulenten Zeiten haben wir alle - und Gideon am meisten - Besseres zu tun, als uns um renitente Jugendliche zu kümmern ... Aber Falk konnte Seiina noch nie etwas abschlagen, und wie es aussieht, ist das Raphaels letzte Chance, einen Highschool-Abschluss zu machen, weit weg von den Freunden, die einen so schlechten Einfluss auf ihn haben.«
    »Seiina - ist das Gideons und Raphaels Mutter?«
    »Ja«, sagte Mr George. »Die Frau, von der die beiden diese schönen grünen Augen geerbt haben. So, da wären wir. Du kannst das Tuch abnehmen.«
    Dieses Mal waren wir ganz allein im Chronografenraum.
    »Charlotte hat behauptet, dass Sie die geplanten Besuche im 18. Jahrhundert unter diesen Umständen absagen würden«, sagte ich hoffnungsvoll. »Oder verschieben? Nur, damit Gideon Zeit hat, sich zu erholen, und ich vielleicht noch etwas mehr üben kann . . .«
    Mr George schüttelte den Kopf. »Nein. Das werden wir nicht tun. Wir werden alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, aber der enge Zeitplan war dem Grafen sehr wichtig. Gideon und du, ihr werdet übermorgen auf diese Soiree gehen, das steht fest. Hast du besondere Wünsche, was das Jahr angeht, in das wir dich heute zum Elapsieren schicken?«
    »Nein«, sagte ich betont gleichgültig. »Es spielt ja ohnehin keine Rolle, wenn man in einem Kellerraum eingesperrt ist, oder?«
    Mr George nahm den Chronografen vorsichtig aus seinem Samttuch. »Das ist richtig. Gideon schicken wir meistens ins Jahr 1953, das war ein ruhiges Jahr, da müssen wir nur darauf achten, dass er sich nicht selber begegnet.« Er schmunzelte. »Das stelle ich mir gruselig vor, mit dem eigenen Ich irgendwo eingesperrt zu sein.« Er strich sich über seinen kugeligen Bauch und sah nachdenklich in die Luft. »Wie wäre es mit dem Jahr 1956? Auch ein sehr ruhiges Jahr.« »Ja, klingt perfekt«, sagte ich.
    Mr George reichte mir die Taschenlampe und zog seinen Ring vom Finger. »Nur für den Fall... - keine Angst, es wird garantiert niemand kommen, nachts um halb drei.«
    »Nachts um halb drei?«, wiederholte ich entsetzt. Wie sollte ich mitten in der Nacht meinen Großvater aufsuchen? Kein Mensch würde mir glauben, dass ich mich im Keller verirrt hatte, nachts um halb drei. Vielleicht war noch nicht mal jemand im Haus. Dann wäre doch alles vergeblich! »Oh, Mr George, bitte nicht! Schicken Sie mich nicht nachts in diese gruseligen Katakomben, ganz allein . . .!«
    »Aber Gwendolyn, das spielt doch gar keine Rolle, tief unter der Erde, in einem verschlossenen Raum . . .«
    »Ich habe aber ... nachts Angst! Bitte, Sie dürfen mich auf keinen Fall allein ...« Ich war so verzweifelt, dass sich meine Augen mit Tränen füllten, ohne dass ich künstlich nachhelfen musste.
    »Schon gut«, sagte Mr George und sah mich aus seinen kleinen Äuglein begütigend an. »Ich vergaß, dass du ... Nehmen wir einfach eine andere Tageszeit. Sagen wir nachmittags gegen drei?«
    »Das ist besser«, sagte ich. »Danke, Mr George.«
    »Nichts zu danken.« Mr George hob kurz den Blick vom Chronografen und lächelte mir zu. »Wir verlangen wirklich viel von dir - ich glaube, mir wäre an deiner Stelle auch mulmig zumute, so ganz allein in einem Keller. Zumal du doch ab und an Dinge siehst, die andere nicht sehen . . .«
    »Ja, danke, dass Sie mich daran erinnern«, sagte ich. Xemerius war nicht da, er hätte sich sicher fürchterlich über das Wort »Dinge« aufgeregt. »Wie war das noch mit den Gräbern voller Gebeine und Schädel direkt um die Ecke?«
    »Oh«, sagte Mr George. »Ich wollte dich nicht noch zusätzlich ängstigen.«
    »Keine Sorge«, sagte ich. »Vor den Toten furchte ich mich nicht. Im Gegensatz zu lebendigen Menschen können sie einem - meiner Erfahrung nach -

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