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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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wirst du schon noch früh genug erfahren. Wenn überhaupt.«
    »Ist etwas passiert?«, fragte ich, aber ich wandte mich nicht an Charlotte, sondern an Xemerius. Ich war ja nicht blöd. »Hat Mr Marley etwas erzählt, als ich noch nicht hier war?«
    »Nur kryptisches Zeug«, sagte Xemerius, während Charlotte die Lippen zusammenkniff und aus dem Fenster sah. »Offensichtlich gab es einen Zwischenfall bei einem Zeitsprung heute Morgen von äh Funkelsteinchen ...« Er kratzte sich mit dem Schwanz die Augenbraue.
    »Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!«
    Charlotte, die verständlicherweise dachte, ich redete mir ihr, sagte: »Wenn du nicht zu spät gekommen wärst, wüsstest du's.«
    »... Diamant«,
sagte Xemerius. »Jemand hat ihn ... tja, wie drücke ich mich am besten aus? Jemand hat ihm wohl eins über die Rübe gebraten.«
    Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. »Was?«
    »Reg dich bloß nicht auf«, sagte Xemerius. »Er lebt ja noch. Jedenfalls habe ich das aus dem aufgeregten Gestammel des Rothaarigen geschlossen. Ach du liebe Güte! Du bist ja weiß wie ein Bettlaken. Oh, oh - du wirst doch jetzt nicht kotzen? Reiß dich bitte ein bisschen am Riemen.«
    »Ich kann nicht«, flüsterte ich. Mir war wirklich todschlecht.
    »Du kannst was nicht?«, zischte Charlotte. »Das Erste, das ein Genträger lernt, ist, seine eigenen Bedürfnisse zurückzustellen und sein Bestes für die Sache zu geben. Du dagegen machst das Gegenteil.«
    Vor meinem inneren Auge sah ich Gideon blutüberströmt am Boden liegen. Das Atmen fiel mir schwer.
    »Andere würden alles dafür tun, um von Giordano unterrichtet zu werden. Und du tust so, als würde man dich damit quälen.«
    »Ach, halt doch einfach mal die Klappe, Charlotte!«, rief ich.
    Charlotte drehte sich wieder zum Fenster. Ich begann zu zittern.
    Xemerius streckte eine seiner Klauen aus und legte sie begütigend auf mein Knie. »Ich werde sehen, was ich herausbekomme. Ich finde deinen Knutschfreund und erstatte dir dann Bericht, in Ordnung? Aber heul jetzt bloß nicht! Ich rege mich sonst nur auf und spucke Wasser auf diese guten Lederpolster und dann denkt deine Cousine, du hättest dir in die Hose gemacht.«
    Mit einem Ruck verschwand er durch das Autodach und flog davon. Es dauerte eineinhalb quälende Stunden, bis er endlich wieder an meiner Seite auftauchte.
    Eineinhalb Stunden, in denen ich mir die schrecklichsten Dinge ausmalte und mich mehr tot als lebendig fühlte. Es machte die Sache nicht besser, dass wir in der Zwischenzeit in Temple angekommen waren, wo der unerbittliche Meister schon auf mich lauerte. Aber ich war weder in der Lage, Giordanos Ausführungen zum Thema Kolonialpolitik zu lauschen, noch Charlottes Tanzschritte nachzuahmen. Was, wenn Gideon wieder von Männern mit Degen überfallen worden war und sich dieses Mal nicht hatte wehren können? Wenn ich ihn nicht gerade blutüberströmt am Boden liegen sah, stellte ich mir vor, wie er auf der Intensivstation an tausend Schläuche angeschlossen in einem Bett lag und weißer war als das Laken. Warum war denn niemand da, den ich fragen konnte, wie es ihm ging?
    Da endlich kam Xemerius direkt durch die Wand ins Alte Refektorium geflogen.
    »Und?«, fragte ich, ohne Rücksicht auf Giordano und Charlotte. Sie waren gerade dabei, mir beizubringen, wie man auf einer Soiree im 18. Jahrhundert Beifall klatschte. Natürlich auf jeden Fall ganz anders, als ich es tat.
    »Das ist
backe backe Kuchen,
dummes Ding«, sagte Giordano. »So klatschen Kleinkinder im Sandkasten, wenn sie sich freuen ... Wo guckt sie denn jetzt schon wieder hin? Ich werde
wahnsinnig!«
    »Alles in bester Ordnung, Heuhaufenmädchen«, sagte Xemerius und grinste dabei fröhlich. »Der Junge hat was auf den Kopf gedonnert bekommen und war ein paar Stündchen außer Gefecht gesetzt, aber wie es aussieht, hat er einen diamantenharten Schädel und nicht mal eine Gehirnerschütterung. Und diese Wunde an der Stirn macht ihn irgendwie ... äh . . . oh, nein, nicht schon wieder blass werden! Ich sagte doch, es ist alles in Ordnung!«
    Ich holte tief Luft. Vor Erleichterung war mir ganz schwindelig.
    »So ist es gut«, sagte Xemerius. »Kein Grund zum Hyperventilieren. Loverboy hat noch alle seine hübschen weißen Zähne. Und er flucht die ganze Zeit vor sich hin, ich nehme an, das ist ein gutes Zeichen.«
    Gott sei Dank. Gott sei Dank. Gott sei Dank.
    Wer allerdings kurz vor dem Hyperventilieren stand, war Giordano. Meinetwegen.

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