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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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diese Vorschriften hielten. Einmal habe ich Lucy und Paul nämlich herausgeschmuggelt, damit sie sich einen Film angucken und ein bisschen umschauen konnten, aber dummerweise hat man uns dabei erwischt. Ach, was sag ich:
Kenneth
hat uns dabei erwischt. Es gab einen Riesenärger. Mir wurde eine Disziplinarstrafe auferlegt und für ein halbes Jahr stand dann immer ein Wachposten vor der Tür des Drachensaals, während Lucy und Paul bei uns waren. Das hat sich erst wieder geändert, als ich meinen dritten Adeptengrad erworben habe. Oh, vielen Dank.« Letzteres galt der Kellnerin, die original aussah wie Doris Day in dem Film »Der Mann, der zu viel wusste«. Ihre hellblond gefärbten Haare waren kurz geschnitten und sie trug ein duftiges Kleid mit weit schwingendem Rock. Mit einem strahlenden Lächeln stellte sie unsere Bestellung vor uns hin und ich hätte mich nicht gewundert, wenn sie angefangen hätte,
Que sera, sera
zu singen.
    Lucas wartete, bis sie außer Hörweite war, dann sprach er weiter. »Natürlich habe ich durch vorsichtiges Nachfragen versucht herauszufinden, was für einen Grund sie haben könnten, mit dem Chronografen abzuhauen. Fehlanzeige. Ihr einziges Problem war, dass sie schrecklich ineinander verliebt waren. Offensichtlich wurde ihre Verbindung in ihrer Zeit nicht gern gesehen, also hielten sie sie geheim. Nur wenige Menschen wussten davon, ich zum Beispiel, und deine Mutter, Grace.«
    »Dann sind sie vielleicht in die Vergangenheit geflohen, nur weil sie nicht zusammen sein durften! Wie Romeo und Julia?« Ach. Wie schrecklich romantisch.
    »Nein«, sagte Lucas. »Nein, das war nicht der Grund.« Er rührte in seinem Teeglas, während ich das Körbchen voller warmer Scones, die unter einer Stoffserviette lagen und verführerisch dufteten, gierig anstarrte.
    »Der Grund dafür war ich«, fuhr Lucas fort.
    »Was?
Du?«
    »Also, nicht direkt
ich.
Aber es war meine Schuld. Eines Tages nämlich bin ich auf die hirnverbrannte Idee gekommen, Lucy und Paul einfach noch ein Stück weiter zurück in die Vergangenheit zu schicken.«
    »Mit dem Chronografen? Aber wie . . .«
    »Herrje, ja, es war hirnverbrannt, das sage ich doch.« Lucas fuhr sich durch sein Haar. »Aber wir waren täglich an die vier Stunden in diesem verdammten Saal eingeschlossen, zusammen mit dem Chronografen. Und was lag da näher, als auf solch dumme Gedanken zu kommen? Ich studierte alte Pläne, die Geheimschriften und die Annalen gründlich, dann besorgte ich Kostüme aus dem Fundus und schließlich lasen wir Lucys und Pauls Blut in den Chronografen ein und ich schickte sie probeweise für zwei Stunden ins Jahr 1590. Es klappte vollkommen reibungslos. Als die zwei Stunden um waren, sprangen sie zurück zu mir ins Jahr 1948, ohne dass jemand gemerkt hatte, dass sie überhaupt weg gewesen waren. Und eine halbe Stunde später sprangen sie von dort zurück ins Jahr 1992. Es war perfekt.«
    Ich schob mir einen Scone, reich bestrichen mit
clotted cream,
in den Mund. Ich konnte besser denken, wenn ich kaute. Es gab eine Menge Fragen, die sich mir aufdrängten, und ich nahm einfach die erstbeste davon. »Aber 1590 - da gab es die Wächter doch noch gar nicht?«
    »Genau«, sagte Lucas. »Da gab es nicht mal dieses Gebäude. Und das war unser Glück. Oder Pech, wie man's nimmt.« Er nahm einen Schluck Tee. Gegessen hatte er noch nichts und langsam begann ich, mich zu fragen, wie er sich die vielen Kilos anfuttern wollte. »Anhand von alten Plänen habe ich herausgefunden, dass das Gebäude mit dem Drachensaal exakt an einer Stelle erbaut wurde, an der sich vom späten 16. Jahrhundert bis Ende des 17. Jahrhunderts ein kleiner Platz mit einem Brunnen befand.«
    »Ich verstehe nicht ganz . . .«
    »Wart's ab. Diese Entdeckung war wie ein Freifahrtschein für uns. Lucy und Paul konnten aus dem Drachensaal auf diesen Platz in die Vergangenheit springen und sie mussten sich lediglich rechtzeitig wieder dort einfinden, dann sprangen sie automatisch zurück in den Drachensaal. Kannst du mir noch folgen?«
    »Und wenn sie am helllichten Tag auf dem Platz landeten? Wurden sie dann nicht sofort verhaftet und als Hexen verbrannt?«
    »Es war ein ruhiger kleiner Platz, meistens wurden sie gar nicht bemerkt. Und wenn doch, dann rieben sich die Leute nur verwundert die Augen und dachten, sie hätten einen Moment lang nicht aufgepasst. Natürlich war es trotzdem unglaublich gefährlich, aber uns erschien es geradezu genial. Wir freuten uns diebisch darüber,

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