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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Instrument und den Bogen mit einer kleinen Verbeugung entgegen und ging damit nach vorne ans Spinett.
    Der Graf griff nach meiner Hand. »Und wir beide setzen uns auf das Sofa und genießen das Konzert, ja? Oh, kein Grund zu zittern. Nimm Platz, mein Kind. Du weißt es nicht, aber seit gestern Nachmittag sind wir die allerbesten Freunde, du und ich. Denn wir hatten ein wirklich, wirklich inniges Gespräch und konnten alle Differenzen beseitigen.«
    Hä?
    »Gestern Nachmittag?«, wiederholte ich.
    »Von mir aus betrachtet«, sagte der Graf. »Für dich liegt diese Begegnung noch in der Zukunft.« Er lachte. »Ich habe es gern kompliziert, merkst du?«
    Ich starrte ihn perplex an. In diesem Augenblick begann Gideon zu spielen und ich vergaß ganz, was ich fragen wollte. Oh mein Gott! Möglicherweise lag es am Punsch, aber - wow! So eine Violine war wirklich sexy. Schon die Art, wie Gideon sie in die Hand nahm und unter sein Kinn legte! Mehr hätte er gar nicht mehr tun müssen, ich war schon hin und weg. Seine langen Wimpern warfen Schatten auf seine Wangen und die Haare fielen ihm ins Gesicht, als er den Bogen ansetzte und damit über die Saiten strich. Während die ersten Töne den Raum erfüllten, blieb mir fast die Luft weg, so zart und schmelzend waren sie, und plötzlich war mir zum Weinen zumute. Violinen hatten bisher ziemlich weit unten auf der Liste meiner Lieblingsinstrumente gestanden, eigentlich mochte ich sie nur im Film, zur Untermalung besonderer Momente. Aber das hier war einfach unglaublich schön, und zwar alles: die bittersüße Melodie und der Junge, der sie dem Instrument entlockte. Alle im Raum lauschten atemlos und Gideon spielte ganz versunken, so, als wäre sonst niemand da.
    Ich merkte erst, dass ich weinte, als der Graf mir an die Wange fasste und eine Träne sanft mit seinem Finger auffing. Erschrocken fuhr ich zusammen.
    Er lächelte auf mich hinunter und in seinen dunkelbraunen Augen war ein warmer Glanz zu erkennen. »Dafür musst du dich nicht schämen«, sagte er leise. »Wäre es anders, wäre ich sehr enttäuscht.«
    Ich war selber verblüfft, dass ich zurücklächelte (wirklich! Wie konnte ich nur! Das war der Mann, der mich gewürgt hatte!).
    »Was ist das für eine Melodie?«, fragte ich.
    Der Graf hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich nehme an, sie wird erst noch komponiert werden.«
    Im Saal brach infernalischer Beifall aus, als Gideon endete. Er verbeugte sich lächelnd und wehrte sich erfolgreich gegen eine Zugabe, weniger erfolgreich allerdings gegen eine Umarmung der schönen Lady Lavinia. Sie hängte sich an seinen Arm und ihm blieb nichts anderes übrig, als sie mit zu unserem Sofa zu schleppen.
    »War er nicht großartig?«, rief Lady Lavinia. »Aber als ich diese Hände gesehen habe, wusste ich gleich, dass sie zu Außergewöhnlichem fähig sind.«
    »Darauf wette ich«, murmelte ich. Ich wäre gern vom Sofa aufgestanden, schon damit Lady Lavinia nicht so auf mich hinunterschauen konnte, aber ich schaffte es nicht. Der Alkohol hatte meine Bauchmuskeln außer Gefecht gesetzt.
    »Ein wunderbares Instrument, Marquis«, sagte Gideon zum Grafen und reichte ihm die Violine.
    »Eine Stradivari. Vom Meister persönlich für mich gebaut«, erwiderte der Graf träumerisch. »Ich möchte gern, dass du sie bekommst, mein Junge. Heute Abend ist wohl der richtige Augenblick für eine feierliche Übergabe.«
    Gideon errötete leicht. Vor Freude, vermutete ich. »Das . . . kann ich nicht...« Er sah dem Grafen in die dunklen Augen, dann schlug er seinen Blick nieder und setzte hinzu: »Es ist mir eine große Ehre, Marquis.«
    »Die Ehre ist ganz auf meiner Seite«, erwiderte der Graf ernst.
    »Meine Güte«, murmelte ich. Die zwei hatten sich anscheinend echt lieb.
    »Seid Ihr auch so musikalisch wie Euer Ziehbruder, Miss Gray?«, fragte Lady Lavinia.
    Nein, vermutlich nicht. Aber allemal so musikalisch wie du, dachte ich. »Ich singe nur gern«, sagte ich.
    Gideon sah mich warnend an.
    »Singen!«, rief Lady Lavinia. »Wie ich und unsere liebe Miss Fairfax.«
    »Nein«, sagte ich bestimmt. »Ich komme weder in solch hohe Tonlagen wie Miss Fairfax« - ich war schließlich keine Fledermaus - »noch verfüge ich über so viel Lungenvolumen wie Ihr. Aber ich singe gern.«
    »Für heute Abend dürften wir genug musiziert haben«, sagte Gideon.
    Lady Lavinia sah beleidigt aus.
    »Natürlich wären wir begeistert, wenn
Ihr
uns noch einmal die Ehre geben würdet«, fügte Gideon schnell

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