Saphirtraenen (Gesamtausgabe)
Hannah mir zu, die neben mir kniet und mich offensichtlich geweckt hat. Ich nicke benommen, stehe auf, wanke auf den Tisch zu und stürze das inzwischen kalte Gebräu dankbar hinunter. Ein angenehm süßer Geschmack breitet sich in meinem Mund aus. Halb träumend drehe ich mich um und beginne, meinen Umhang anzuziehen. Die Decken raffe ich zusammen und stopfe sie dorthin zurück, wo Edan sie herausgeholt hat.
Planlos stehe ich im Raum und habe das Gefühl, nutzlos zu sein.
„Kann ich helfen?“, murmele ich schlaftrunken.
„Wir sind fast fertig. Ist schon in Ordnung.“
Joachim schenkt mir ein kurzes Lächeln und holt eine neue Kiste aus dem anderen Raum. Als alles verstaut ist, winkt mein Gastgeber mir von der Tür aus zu und ich stolpere nach draußen. Langsam verlässt mich die Müdigkeit und mein Kopf wird wieder klar. Der üble Geruch der Gassen schlägt mir entgegen.
Vor dem kleinen Haus steht ein hölzerner Wagen, der mit grauem Stoff überspannt ist. Zwei braune Pferde scharren nervös mit den Hufen, zum Aufbruch bereit. Edan wartet auf dem hinteren Rand des Wagens und winkt mir zu, Hannah sitzt bereits vorne und hält die Zügel der Tiere in der Hand. Mit schnellen Schritten eile ich auf Edan zu und krieche auf die Ladefläche.
„Ganz nach hinten“, flüstert mein Begleiter mir zu und ich bahne mir vorsichtig einen Weg an den Kisten vorbei, bis ich an einer Stelle ankomme, die relativ geräumig aussieht. Dort ziehe ich die Knie an meinen Oberkörper und kauere mich zusammen, den Kopf gegen einen der schweren Behälter gelehnt. Neben mir lässt der Halbdämon sich nieder und sieht mich aus verschlafenen Augen an.
„Alles in Ordnung?“
Ich nicke stumm, fühle mich ausgelaugt und kraftlos. Zwischen den Kisten ist es fast vollständig dunkel.
Als wir uns in Bewegung setzen, gewöhne ich mich schnell an das gleichmäßige Wippen des Wagens. Mein Kopf wird immer schwerer und ich dämmere vor mich hin. Wenn eines der Räder über einen Stein holpert, schrecke ich kurz hoch, nur, um kurz darauf wieder im Halbschlaf zu versinken.
Langsam steigt die Sonne empor und scheint durch den grauen Stoff, der die Ladefläche überspannt. Entgegen meiner Erwartungen halten wir kein einziges Mal an, was bedeutet, dass die Wachen uns haben passieren lassen.
Vor Erleichterung entfährt mir ein kleiner Seufzer.
„Wir sind vorbei, oder?“, murmele ich Edan leise zu. Dieser nickt und ich atme tief ein.
„Schon seit einer ganzen Weile“, entgegnet der junge Ilyea lächelnd.
„Ich ... habe geschlafen?“
Bevor Edan antworten kann, hält der Wagen ruckartig an. Sofort spannen sich meine Muskeln und ich sitze kerzengerade da. Neben mir hält Edan gespannt die Luft an. In seinen goldenen Augen sehe ich einen Hauch Panik, die er zu unterdrücken versucht.
Verwirrt zwinge ich mich zu ruhigen, langsamen Atemzügen. Niemand soll uns hören, aber wir wollen alles wahrnehmen. Verkrampft kauern wir uns zusammen und lauschen den Geräuschen, die zu uns in den Wagen dringen.
Leises Stimmengemurmel, vermischt mit dumpfen Schritten. In meinem Kopf formt sich unwillkürlich ein Wort: Wegelagerer.
In meinem Heimatdorf wurde viel über diese Menschen gesprochen, die harmlose Reisende überfallen. Sie waren einer der Gründe, warum ich nie in eine Stadt reisen durfte.
Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, und mir fällt es schwer, zu schlucken. Fieberhaft suche ich in meiner Umgebung nach etwas, mit dem ich mich notfalls verteidigen könnte. Meine Finger fahren über den rauen Holzboden, an den Kisten entlang, finden nichts.
Mein Herz klopft lauter gegen meine Brust und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, dass die Diebe es schlagen hören. Mir wird abwechselnd heiß und kalt, während ich panisch den Blickkontakt mit Edan suche.
Mit gerunzelter Stirn starrt er vor sich hin und würdigt mich keines Blickes.
„Edan, könntest du uns hier vorne kurz helfen?“
Joachims Stimme klingt gepresst und leicht panisch.
„Geh nicht“, flüstere ich, aber er hat sich schon an mir vorbeigequetscht und klettert aus dem Wagen. Ich halte den Atem an und horche angestrengt. Die Steine unter Edans Füßen knirschen, sonst ist alles still.
„Ich hätte es wissen müssen.“
Zu meiner Überraschung klingen seine Worte nicht ängstlich, sondern vorwurfsvoll.
„Du hast nichts zu befürchten, Joachim“, fügt der Halbdämon hinzu.
„Lass uns weiterreisen.“
„Der Meister gab mir den Auftrag, euch beide
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