Saphirtraenen (Gesamtausgabe)
zurückhalten. Hier strahlt das helle Himmelsgestirn mit voller Intensität auf uns nieder und treibt mir Schweißtropfen auf die Stirn. Die Umgebung ist nicht voller Buschwerk und Blätter, sondern von Weizen golden gezeichnet. Soweit mein Blick reicht, sehe ich Felder, manchmal unterbrochen von einem oder mehreren Menschenhäusern. Noch nie zuvor habe ich den Horizont erblickt. Fasziniert starre ich auf die feine Linie, an der Himmel und Erde eins zu sein scheinen.
Eine unglaubliche Sehnsucht erfasst mich. Ich möchte dem Horizont entgegenreiten und das Himmelszelt berühren, obwohl mir klar ist, dass das ein kindischer Traum bleiben wird.
Schweigend reiten wir weiter, allein der Wind säuselt mir verführerische Worte ins Ohr. Ich bin mir nicht sicher, wie lange wir bereits unterwegs sind, aber allmählich verschwimmen die Farben der Natur. Das Gold der Weizen wird matt, der Himmel dunkel. Die Nacht bricht herein und ich frage mich besorgt, wo wir unser Lager aufschlagen werden. Ganz langsam versinkt die Sonne am Horizont und es scheint fast so, als würde sie nicht gehen wollen.
Über uns strahlt der Mond in voller Pracht und verspottet mit seinem silbernen Glitzern das erstickende Licht der Sonne. Dass sie sich den Himmel schon bald zurückerobern wird, weiß er nicht. Seine Begleiter, die funkelnden Sterne, leuchten triumphierend und schließlich muss auch das hellste Gestirn sich seinem Schicksal ergeben und zur Ruhe legen.
Seufzend betrachte ich den Nachthimmel. In Cad’e konnte man aufgrund der Bäume, die stark die Sicht beeinträchtigten, nie so viele Sterne auf einmal sehen. Hier scheinen sie zahlreicher zu sein, als alle Blätter des Waldes zusammen.
„Wir sollten rasten.“
Die ersten Worte seit unserem Aufbruch. Vor Schreck klammere ich mich noch fester an Edan und halte die Luft an.
„Ja“, würge ich hervor. Vom langen Schweigen klingt meine Stimme rau und brüchig. Ich räuspere mich.
„Ja“, wiederhole ich dieses Mal fester. Der Halbdämon zügelt das Pferd, bis es bei einer kleinen Baumgruppe zum Stehen kommt.
Die niedrigen, verkrüppelten Gewächse stehen dicht beieinander und schützen alles, was hinter ihnen verborgen liegen könnte. Wachsam umkreist mein Begleiter unser ausgewähltes Nachtlager und gibt mir schließlich ein Zeichen, dass alles in Ordnung ist. Das Pferd wird an einen der Bäume festgebunden und getränkt.
Derweil habe ich mich schon auf dem Boden niedergelassen und fahre mit meinen Fingern über das Moos, welches die Erde bedeckt. Es fühlt sich härter und struppiger als im Wald an. Verstört ziehe ich meine Hände wieder zurück und falte sie in meinem Schoß. Mit überkreuzten Beinen sitze ich da und starre vor mich hin, während Edan etwas Holz aufeinanderschichtet und es anzündet.
„Bereit?“
Edan steht vor mir und sieht mich erwartungsvoll an. Verwirrt neige ich den Kopf zur Seite.
„Ich wollte dich in der Lehre der Magie unterweisen.“
Anmutig lässt er sich vor mir auf den moosigen Untergrund sinken. Meine Glieder sind steif vom langen Ritt und mein Geist scheint nicht aufnahmefähig zu sein, trotzdem nicke ich begierig. Das erste Mal in meinem Leben möchte ich etwas über Magie erfahren. Meine Eltern gaben irgendwann auf, mir Dinge über etwas zu erzählen, das ich weder glauben, noch begreifen wollte. Nicht einmal Alriel konnte mich eines Besseren belehren. Wenn sie wüssten, dass ich gerade hier sitze, um von einem Halbdämon etwas zu lernen, wovon ich jahrelang kein Wort hören wollte, würden sie sicherlich lachen. Aber sie werden nicht mehr lachen. Nie mehr.
„Nun...“, beginnt Edan seine Erzählung und ich blinzle schnell die verräterischen Tränen aus meinen Augenwinkeln.
„Fangen wir mit dem Grund dafür an, dass du bisher das Lied der Magie nie hören konntest. Du bist ein Halbblut.“
„Ach was“, bemerke ich bissig, fange mir dafür aber einen wütenden Blick ein und schweige.
„Jede Rasse entstand aus einem der Elemente. Deswegen können Wald-Ilyea die Schwingungen des Waldes hören und verändern, Meer-Ilyea Wasser kontrollieren, Berg-Ilyea Stein verformen und Dämonen Feuer entzünden.“
Er deutet mit einer Hand auf die prasselnden Flammen.
„Da du zwei Rassen in dir trägst, ist es für dich schwieriger, die Töne der Magie zu hören. Wasser- und Waldmelodien stürmen auf dich ein und um dich selbst zu schützen, hat dein Körper beschlossen, keine der beiden zu beachten. Mir ging es im Übrigen
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