Saphirtraenen (Gesamtausgabe)
aus.
Seitdem sitze ich hier und blicke in die dichten Baumkronen hinauf, zwischen deren Blättern hin und wieder ein einzelner Stern zu sehen ist. Entspannt schließe ich die Augen und lausche auf das Lied des Waldes, versuche aus der kräftigen Musik den Irai herauszuhören und lächle zufrieden, als ich ihn unter all den anderen Tönen ausgemacht habe. Insgeheim bin ich stolz auf mich, etwas gelernt zu haben und der Magie näher zu sein. Doch bin ich auch traurig, dass ich dies nicht früher erkannt und so meine Eltern enttäuscht habe. Ich kralle meine Finger tief in den Boden und versuche, dort Halt zu finden.
Die feuchte Erde bleibt an meiner Haut haften. Vorsichtig reibe ich meine Hände aneinander, um den Dreck loszuwerden. Die größeren Klumpen fallen leise rieselnd hinab, den feinen Staub werde ich jedoch nicht los. Seufzend greife ich in meinen schwarzen Mantel und ziehe die Metallflasche hervor, um einen Schluck zu trinken. Zu meinem Verdruss muss ich feststellen, dass kein einziger Tropfen mehr in der Flasche ist.
„Wie konnte ich nur vergessen, sie zu füllen?“, fluche ich leise und stehe auf. Das Lith erhebt sich ebenfalls und knurrt bedrohlich. Ich hebe beschwichtigend die Hände und halte ihm die leere Flasche entgegen.
„Ich möchte nur Wasser holen.“
Während die Worte meine Lippen verlassen, zweifle ich an meinem Verstand.
„Du verstehst mich sowieso nicht, richtig?“
Ergeben trete ich neben Edan und stupse ihn sanft an.
„Ruf dein Schoßtierchen zurück. Es dreht durch, weil ich etwas Wasser holen möchte.“
Verwirrt blinzelt der Halbdämon mich an.
„Du bist schon wach?“
„Noch wach“, korrigiere ich ihn „und ich habe Durst, meine Flasche ist leer.“
Zum Beweis drehe ich das Behältnis auf den Kopf und schüttele kräftig.
„Dann geh. Ich denke, den Fluss findest du, nicht wahr, Meerprinzessin?“
Ich schnaube verächtlich.
„Deine Spitznamen waren mal kreativer.“
In der Dunkelheit glaube ich, Edans Zähne aufblitzen zu sehen.
„Und besser“, füge ich hinzu.
Mein Begleiter lacht und ich schlage mich in das Unterholz. An die wortlose Kommunikation zwischen ihm und seinem merkwürdigen Haustier habe ich mich schnell gewöhnt. Als ich einige Schritte gegangen bin, halte ich inne und lausche auf das Lied des Flusses, der hier in der Nähe fließt.
Alriel erzählte mir einst, dass Meer-Ilyea verrückt werden, wenn sie lange Zeit von ihrem Element getrennt sind. Ich verstand dies nicht, denn schließlich ist Wasser überall und das Meer ist mit jedem noch so kleinen Tröpfchen verbunden.
Die Dorfälteste lächelte auf diesen Einwand.
„Das Lied des Wassers ist nichts im Vergleich zu dem des Meeres. Wenn du es einmal gehört hast, wirst du nicht mehr ohne es leben können. Stell dir vor, jemand würde dich von der köstlichsten Speise Firyons kosten lassen, um dich danach zu zwingen, für immer Gras zu essen. Vermutlich hinkt der Vergleich ein wenig... Aber irgendwann wirst du schon verstehen, was ich damit meine.“
Damals glaubte ich nicht an Magie und selbst, wenn ich es getan hätte: Ich hätte niemals zu träumen gewagt, dass Meer-Ilyea Blut in mir fließt. Verblüfft halte ich inne.
„Aber irgendwann wirst du schon verstehen, was ich damit meine.“
„Alriel hat es gewusst“, flüstere ich.
Diese Erkenntnis löst ein befremdliches Gefühl in mir aus. Wenn es ihr bekannt war, wem noch? Und vor allem: Woher wusste sie es?
Ich schlucke, mein Hals ist wie ausgedörrt. Oder interpretiere ich zu viel in diese Worte? Vielleicht meinte sie damit, dass mir irgendwann das Lied des Waldes fehlen würde und kleine Pflanzen dies nicht ausgleichen können. Dieser Gedanke vermag nicht wirklich, mich zu beruhigen. Obwohl er logisch klingt, scheint er mir unwirklich.
Mit Tränen in den Augen blicke ich nach oben, als sich einer der Sterne aus dem Himmel zu lösen und nach unten zu schweben scheint. Ich kneife die Augen zusammen und schaue genauer hin. Das Licht kommt näher und blendet mich, sodass ich den Kopf zur Seite drehen muss.
Vorsichtig schaue ich wieder hin und fange unwillkürlich an zu lächeln. Kleine, zarte Libellenflügel und ein Ilyeaähnlicher Körper, umschlossen von einem sanften Licht. Eine Fee. Die kleinen Baumwächter zeigen sich selten, sie leben lieber verborgen zwischen den Blättern und Blüten der Bäume. Als kleines Kind glaubte ich einmal, eine gesehen zu haben, sicher war ich mir allerdings nie. Ein kurzes Aufblitzen in einer
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