Saphirtraenen (Gesamtausgabe)
aus ihrem strahlend blauen Haar. Der Schmutz auf ihrem Kleid ist ihr egal. Wütend über ihre eigene Nachlässigkeit atmet sie ein paar Mal tief durch, bevor sie wieder vorsichtig einen Fuß vor den Anderen setzt.
Ihre Hände drücken herabhängende und hervorstehende Äste zur Seite während ihre Augen aufmerksam vom Boden hinauf zu den Baumwipfeln und wieder zurück wandern. Ab und zu sieht sie scheue Tiere davon huschen. Schlangen, Käfer, Schmetterlinge, Vögel. Nach einiger Zeit tauchen immer wieder braune Augen aus dem Gebüsch aus. Eine Gruppe kleiner Affen hat sich an Enyas Versen geheftet. Die aufmerksamen Tiere betrachten die Neuankömmlinge voller Neugier und wagen sich immer näher an sie heran.
Enya lächelt über die Übermüdigkeit der pelzigen Tierchen, Alea wirkt hingegen beunruhigt. Sie behält die Beobachter genau im Auge und stößt den ein oder anderen warnenden Laut aus, was die Affen mit kecken Gelächter quittieren. Je weiter die Reisenden in den Dschungel vordringen, desto dichter wird das Blätterdach und desto weniger Licht dringt zu ihnen hinab. Die freiheitsliebende Ilyea fühlt sich zunehmend unwohler und sucht bei Alea Halt, ihre Finger krallen sich in die warme, silbrig-weiße Mähne. Das geflügelte Pferd schnaubt mitleidig.
Enya schließt die Augen und versucht, das Lied des Meeres zu hören. Leise dringen die sanften Töne an ihr Ohr und beruhigen ihren Herzschlag. Ihre neu gewonnene Ruhe wird jäh von den lauten Rufen eines Affen unterbrochen. Sie reißt ihre türkisenen Augen auf, ihre Pupillen sind zwei riesige, schwarze Löcher, die jeden noch so kleinen Lichtstrahl, der durch das dichte Blätterdach fällt, aufsaugen wollen. Hoffnungslos. Eine Wolke scheint sich vor die Sonne geschoben zu haben und Enya sieht nichts, außer schemenhafte Umrisse von Bäumen und die leuchtenden Augen der Affen. Ihre feinen Finger streichen über Aleas weiches Fell.
„Meer-Ilyea zeigen keine Angst“, wiederholt die stolze Dorfältestentochter die Worte ihres Vaters. Schweratmend steht sie in der Dunkelheit und versucht, sich zu beruhigen. Die Hufe des Pegasus scharren nervös über den laubbedeckten Boden. Blätter rascheln. Einer der Affen kichert - In Enyas Ohren ein bösartiger Laut.
Wann genau sich die idyllische Situation in einen ihrer schlimmsten Albträume verwandelt hat, vermag Enya nicht zu sagen. Sie weiß nur, dass sie dringend Licht braucht. Oder das Rauschen des Meeres. Irgendetwas Bekanntes, Vertrautes. Hoffnung.
Der ferne, salzige Geruch des Meeres wird verdeckt von einem Gemisch aus Blumen, feuchter Erde und Blätter. Den bekannten, weiten Horizont musste sie zuerst gegen eine von Gewächsen versperrte Sicht, danach gegen vollkommene Dunkelheit eintauschen. Statt kreischender Seemöwen leben hier Affen, die sie mit ihren bohrenden Blicken in den Wahnsinn treiben.
Ihre Knie geben nach, schmutziges Laub verfängt sich in ihrem Kleid.
„Warum, Papa? Warum hast du mich auf diese Mission geschickt? Warum hast du mich nicht mehr lieb?“
Als ein Sonnenstrahl das weiße Fell des Pegasus zum Leuchten bringt, den Wald wieder bunt malt und die Dunkelheit vertreibt, liegt die einst stolze Ilyea noch immer zusammengebrochen auf dem Boden und findet keine Kraft mehr, um weiterzugehen.
Alea lässt sich neben ihr nieder, legt ihren Kopf auf die Hüfte des Meereskindes und schließt die Augen. Die Affen beobachten die Eindringlinge weiterhin und machen keine Anstalten, zu verschwinden. Enya ahnt nicht, dass über dem Blätterdach der azurblaue Himmel von grauen Wolken durchbrochen wird, die direkt auf die Insel zutreiben.
Endlich zurück. Zurück im Wald, meiner Heimat, in der ich mich nie wirklich zuhause gefühlt habe. Trotzdem überkommt mich eine unglaubliche Ruhe, wenn ich dem Rauschen des Windes in den Blättern lausche, Käfer summen und Fledermäuse auf ihrer Jagd höre. Kleine Tiere, die durch das Buschwerk huschen und sich blind zu Recht finden.
Die Nacht hat ihre dunklen Schwingen über den Wald gebreitet und ich fühle mich unter ihnen so wohl, wie ein Jungtier, das von seiner Mutter behütet wird. Neben mir liegt Edan und schlummert seelenruhig.
Würde mich das wachsame Auge des Liths nicht ständig beobachten, wäre dies der perfekte Moment, einen Fluchtversuch zu wagen. Doch selbst als ich mich aufsetzte, da mir ein friedvoller Schlaf verwehrt blieb, und mich an einen der mächtigen Baumstämme anlehnte, stieß das Wachtier einen drohenden Laut
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