Saphirtraenen (Gesamtausgabe)
Regentropfen fallen in einem nicht enden wollenden gleichmäßigen Rhythmus auf die Erde und ins Meer. Vor ihrem inneren Auge sieht Enya die kleinen Tropfen Kreise auf die klare Wasseroberfläche zaubern, auch wenn sie zu weit vom Meer entfernt ist um sie zu sehen oder auch nur zu hören. Im Dschungel perlt der Regen von den Blättern der Pflanzen ab und sprenkelt ungleichmäßig den laubbedeckten Boden.
Nachdem sie lange bewegungslos auf dem Boden verharrt hatte, sitzt die Meer-Ilyea nun wieder aufrecht und sieht sich blinzelnd um. Der sanfte Klang des Regens hat sie aus ihrer Verzweiflung zurück in die Realität geholt.
Wenige glitzernde Tropfen haben sich in Enyas azurblaues Haar verirrt, als würde sie ihr Element, das Wasser, magisch anziehen. Noch immer dringt kaum ein Sonnenstrahl durch das Blätterdach, doch ihre Augen haben sich an die schlechten Lichtverhältnisse gewöhnt und so erkennt sie die schemenhaften Umrisse der Bäume. Als sie die braunen Augen der Affen in der Dunkelheit glitzern sieht, stockt ihr Atem. Der Pegasus an ihrer Seite wiehert unruhig.
„Was wollt ihr von mir?“
Geflüsterte Worte, die ihre Wirkung nicht verfehlen. Als hätte sie mit einem Stein nach ihnen geworfen, verschwinden die Affen kreischend im Unterholz.
Enya erhebt sich. Dies nimmt Alea als Anlass, um schnell aufzustehen und nervös mit den Hufen zu scharren. Sie gibt unmissverständlich zu verstehen, dass sie weiter möchte. Ihre schwarzen Augen rollen nervös hin und her. Beruhigend legt Enya ihre Hand auf die Flanke des geflügelten Pferdes.
„Lass uns gehen.“
Vorsichtig setzt sie einen Fuß vor den anderen und drückt dabei jene Äste, die ihr den Weg blockieren, zur Seite. Der Regen lässt langsam, aber stetig nach, was Enya einen erleichterten Seufzer entlockt.
Hintereinander kämpfen die beiden sich durch den Wald, bis die junge Ilyea das sanfte Lied des Diadems vernimmt. Die Töne schweben durch die Luft und berühren das Herz des Wasserkindes. Mit einem wohligen Seufzer schließt sie die Augen und folgt blind der federleichten Melodie.
Als ihr ganzer Körper von den wunderbaren Klängen angefüllt ist, öffnet sie die Augen wieder. Das Schmuckstück hat sie zu einem Bach geführt, der wie ein silbernes Band auf der Wiese liegt. Zu ihrer Überraschung wagt sich kein Baum, kein Strauch in die Nähe des Wassers.
Vor ihr erhebt sich eine steile Steinwand, von deren Kante sich klares Wasser in die Tiefe stürzt. Verwirrt runzelt Enya die Stirn. Eigentlich hätte sie das laute Rauschen des Wasserfalls viel früher hören müssen. Sie erschaudert bei dem Gedanken daran, wie sehr sie das Lied des Diadems in seinen Bann geschlagen hat, jedoch vertreibt der Anblick des klaren Quellwassers ihre trüben Gedanken.
Die Felswand ist von der aufschäumenden Gischt feucht und Moos bedeckt den grauen Stein mit grünen Flecken. Das Licht bricht sich in den umherirrenden Wassertropfen und zaubert einen kleinen Regenbogen an den Fuß des Wasserfalls.
Der weiße Pegasus neigt freudig den Kopf und galoppiert auf den Bach zu.
Lächelnd verfolgt Enya Aleas Lauf, doch ihre Gesichtszüge entgleiten ihr, als das geflügelte Pferd plötzlich stehen bleibt und unruhig rückwärts trippelt.
Die Meer-Ilyea spürt, dass das Diadem zum Greifen nah ist. Irgendetwas scheint ihre Gefährtin zu beunruhigen und sie weiß, dass Aleas Eingebungen meist richtig sind. Wütend ballt Enya ihre rechte Hand zu einer Faust.
Was auch immer ihrem Ziel im Weg stehen wird - Sie wird es gnadenlos vom Angesicht Firyons fegen. Das Feuer der Leidenschaft ist in der jungen Meer-Ilyea entfacht.
Sie möchte ihren Auftrag beenden, um wieder in ihr sicheres Heimatdorf zurückkehren zu können.
„Was ist mit dir, Alea?“
Als Enya näher tritt, spürt sie es. Das Unbehagen. Den Widerwillen in ihr, einen Blick in das Wasser zu werfen. Verblüfft hält sie inne. Als Kind des Meeres verspürte sie noch nie eine Abneigung gegen das kühle Element. Ihre Unterlippe fängt an zu zittern.
„Ich wollte nicht auf diese verfluchte Insel. Erst die Dunkelheit, dann die Affen und jetzt das“, flüstert sie, obwohl niemand außer Alea anwesend ist.
Ein unnatürlich hohes Kichern dringt an ihre Ohren. Anders als das raue Keckern der Primaten klingt dieser Laut kristallklar. Dennoch lässt er ihre Haare zu Berge stehen.
„Sei gegrüßt, Meereskind.“
Unwillkürlich stößt Enya einen lauten Zischlaut aus und weicht zurück. Erneut ein glockenhelles
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