Sara & Fuxia: Das Zauberamulett (German Edition)
Als Hexe fiel Fuxia das natürlich sofort auf und sie tat ihren Albtraum mit der Einwirkung des Mondes ab. Sie wusste natürlich, wie groß der Einfluss des Mondes auf das Leben der Waldgeister war. Und da konnte es schon mal passieren, dass der Mond auch für schlechte Träume sorgte. Das ständige Donnern, das aus einem anderen Teil des Waldes kam, hatte den Traum wahrscheinlich in ihrem Unterbewusstsein noch verstärkt. Fuxia wollte ihren Polster wieder aufschütteln, als sie sah, dass der blütenweiße Stoff mit roter Farbe durchtränkt war. Scheinbar hatte ihr Albtraum sogar für Schweißausbrüche gesorgt, denn ihre henna-gefärbten Haare hatten auf den Polster abgefärbt.
Fuxia stand auf und blickte zum Fenster hinaus. Von hier aus konnte sie Teile des Waldes überblicken. Der gemauerte Turm, in dem sie mit ihren Eltern wohnte, war mit Abstand das höchste Gebäude des St. Nimmerleins Waldes. Die kleine Hexe konnte in großer Entfernung den Wolfshügel ausmachen. Wenn sie ihren Blick etwas nach links wandte, sah sie sogar bis zum Waldrand und der Hütte, in der ihre Großmutter lebte. Die Hütte konnte sie natürlich nicht sehen, dafür war diese zu niedrig, aber Fuxia wusste in etwa, wo die Hütte lag. Und in unmittelbarer Nähe war natürlich auch die unheimliche Lichtung mit der noch unheimlicheren Trauerweide. Genau über diese Lichtung hatte sich eine kleine Wolkendecke wie ein Deckel auf den passenden Topf gelegt. Fuxia konnte sehen, wie immer wieder ein Blitz die Wolkendecke in ein grelles Blau tünchte. Verträumt lehnte sie sich auf den Fenstersims. Als das Blitzen und Donnern in der Nähe der Hütte ihrer Großmutter nicht und nicht aufhören wollte, bekam es Fuxia aber langsam mit der Angst zu tun. Und als sie schließlich auch noch den Troll sah, der heimlich um ihren eigenen Turm schlich, beschloss Fuxia, etwas zu unternehmen. Sie schlüpfte in ihr Flickenkleid und schlich sich leise die Steinstufen ins Erdgeschoss hinunter.
Auch Sara erwachte durch das Donnern. Sie spürte aber weder Furcht noch Sorge um Salma. Das einzig Störende war das Zauberamulett, das sie von Salma geschenkt bekommen hatte. Es brannte wie Feuer auf ihrer Brust. Entsetzt und angeekelt riss Sara an der Kette an – die Kette brach und Sara schleuderte das Amulett frustriert in die Ecke. Moritz sah kurz auf, jaulte verwundert und setzte sein Nickerchen dann fort.
Sara fuhr sich erstaunt an die Brust. Das Amulett hatte sich ganz leicht in ihre bleiche Haut gebrannt. Sie spürte die rötlichen Schwellungen, konnte sie aber nicht sehen. Aber wie das brannte! Es schien, als ob sich die Hitze immer tiefer in ihre Haut fressen wollte. Sara stürzte zum Fenster und riss es auf. Sofort wehte eine kühle Brise sanften Nachtwindes ins Zimmer. In der Luft lag der Geruch von feuchtem Moos und Erdboden. In der Ferne konnte sie das Donnergrollen hören. Da Saras Hütte nicht so hoch war wie Fuxias Turm, konnte sie das farbenprächtige und gruselige Schauspiel über der Trauerweiden-Lichtung nicht mit verfolgen. Das brauchte sie aber auch nicht. Sie spürte ganz genau, was passierte und wenn sie die Augen schloss sah sie sogar noch mehr. Es war fast so, als konnte sie durch die Augen eines anderen sehen. Zuerst war da nur Finsternis. Diese Finsternis erhellte sich aber langsam, ganz so, als würde man durch den finsteren Wald auf eine helle Lichtung kommen. Die Perspektive veränderte sich. Hatte es zunächst ausgesehen, als würde sie direkt in den bewölkten Himmel starren, kam nun Bewegung in das Bild und sie sah den Rand einer morastigen Waldlichtung, das von dichtem Dickicht und riesigen Baumgiganten umgeben war. Sara erkannte diesen Ort sofort. Es war die Lichtung der Trauerweide und sie konnte sich schön langsam ausmalen, durch wessen Augen sie da blickte. Wie zur Bestätigung konnte sie ein diabolisches Kichern hören, das aber niemals durch ihre Ohren drang. Es war einfach da. In ihrem Kopf, in ihrem Gehirn.
Sara blickte weiter durch die Augen von Reinhard Reißzahn, der dies ruhig zuließ. Er genoss dieses Gefühl ebenso wie Sara, obwohl die Vampirin dabei auch etwas Angst verspürte.
Sie tastete sich mit geschlossenen Augen zurück an ihr Bett und ließ sich langsam darauf nieder. Dabei achtete Sara darauf, nicht die Augen zu öffnen. Sie wollte jeden Schritt von Reinhard Reißzahn miterleben und darauf vorbereitet sein, wenn er zu ihr kam, um sie zu sich in die Stadt mitzunehmen.
Sara sah, wie sich Reißzahn mühelos
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