Sara & Fuxia: Das Zauberamulett (German Edition)
einen Weg durch die Büsche und Sträucher des Waldes bahnte. Der Vampir zeigte keinerlei Respekt für die großen und kleinen Schönheiten des Waldes. Mit übermenschlicher Kraft riss er alles aus, was sich ihm an Pflanzen in den Weg stellte. Sara spürte, wie die Tiere vor dem Vampir flüchteten und teilte den Genuss dieses Gefühls mit Reißzahn. Sara konnte einmal mehr spüren, wie das ohnehin schon kalte Blut in ihren Adern noch kälter wurde. Für einen Moment fühlte sie einen Anflug von schlechtem Gewissen, dann erinnerte sie sich wieder an die Worte ihrer Mutter. Man wird nicht als Waldvampir geboren . . . Eben! Wieso sollte sie wider ihre Natur handeln? Wenn sie schon ein Vampir war, dann wollte sie auch wissen, wie ein richtiger Vampir lebt. Ketchup, Rote Rüben und Himbeeren kamen ihr plötzlich furchtbar langweilig vor. Sie wollte richtiges Blut schmecken und wissen, wie man sich als richtiger Vampir fühlt.
Nach einer kleinen Ewigkeit erreichte Reißzahn endlich Saras Hütte. Als der Vampir wie ein alter Bekannter zur Eingangstür hereinspazierte, brach Sara den Kontakt ab und schlüpfte schnell in ihr bestes Kleid.
Reißzahn betrat ohne zu klopfen Saras Zimmer. Im selben Moment machte Moritz einen Satz, als hätte ihn auch ein Blitz getroffen. Seine Haare stellten sich auf und das Tier fletschte wild mit den Zähnen.
Sara packte Moritz am Nacken und drückte ihn mit aller Kraft auf den Boden. Sie wollte sich jetzt von ihrem heißgeliebten Moritz nicht mehr zurückhalten lassen.
„Ruhe!“, zischte sie böse in Moritz Ohr. „Wo ich jetzt hingehe, kannst du nicht mitkommen. Und du wirst mir jetzt mit deinem Gejaule auch nicht die ganze Nachbarschaft aufwecken. Verstanden?!“
Leise, furchtbar leise und verschreckt, winselte der Werpudel und schaute Sara aus großen Kulleraugen an. Jetzt war es also schon wieder passiert, dass seine Sara komplett durchdrehte. So hatte sie ihn in all den Jahren zuvor niemals behandelt. Moritz klemmte kleinlaut den Schwanz zwischen die Hinterläufe und versuchte sich unter Saras Bett zu verkriechen.
„Feiner Hund. Willst du gar nicht wissen, wie er schmeckt?“, fragte Reißzahn kühl lächelnd. Saras kleine Vorstellung hatte ihn beeindruckt.
„Wie bitte?“, fragte Sara entgeistert.
„Na mit irgend etwas musst du doch anfangen! Wieso nicht gleich mit ihm? Dann macht er auch keine Probleme mehr.“
„Sicher nicht!“, empörte sich Sara, „Meinem Moritz könnte ich nie im Leben etwas antun. Er wird auch so brav sein und keinen Lärm machen. Nicht wahr, Moritz?“ Dabei warf sie ihrem Werpudel einen stechenden Blick zu, der nichts Gutes verhieß. Moritz verkroch sich noch weiter unter Saras Bett.
„Wie du meinst“, meinte Reißzahn ein wenig enttäuscht, „Bist du bereit?“
„Ja!“, antwortete Sara, „Wie kommen wir in die Stadt?“
„Wir fliegen!“
„Du nimmst mich auf den Arm“, meinte Sara leicht beleidigt.
„So können wir es auch machen“, und dabei schenkte Reißzahn ihr sein hinreißendstes Lächeln. Da bekam Sara erstmals einen Eindruck davon, wie hypnotisierend echte Vampire auf andere Wesen wirken konnten. Dieses Lächeln hätte Sara zu jeder Tat verleitet, egal wie verrückt sie auch sein mochte.
Reißzahn strahlte noch immer, als er Sara behutsam mit einem Arm umschlang. Dann spürte sie – nichts. Denn der Fußboden unter ihr schien nachzugeben und sie spürte, dass sie unter ihren Füßen nichts mehr spürte. Es war fast so wie eine ihrer Schwebeeinlagen, nur dass sie ihr Schweben diesmal nicht selbst kontrollierte.
Majestätisch schwebten die beiden Vampire durch das offene Fenster von Saras Zimmer. Die vielen Fragen, die Sara am Herzen gelegen waren, hatte sie jetzt vergessen. Es interessierte sie nicht, wie und wo Reißzahn den Tag verbracht hatte. Es interessierte sie nicht, wieso gerade sie von ihm ausgewählt worden war. Und auch die Warnungen ihrer Mutter waren vergessen. Sara spürte ihr eigenes Blut heiß in ihren Adern pulsieren. Der Gedanke an Ketchup, Rote Rüben und dergleichen lag ihr jetzt so nahe, wie der Mond der Erde. Und auch Moritz und Fuxia waren ihr jetzt herzlich egal.
Sara sah, dass der St. Nimmerleins Wald immer kleiner und kleiner wurde. Vereinzelt konnte sie in den winzigen Fenstern noch Licht sehen. Manchmal auch noch die eine oder andere undeutliche Gestalt, die durch ein Fenster den finsteren Wald beobachtete. Dann waren sie so hoch, dass sie auch diese Schemen nicht mehr wahrnehmen konnte.
Weitere Kostenlose Bücher