Sara Linton 01 - Tote Augen
eine Datenbank hat, damit man Methoden miteinander abgleichen und nach Mustern suchen kann. Vielleicht könnten Sie nach etwas Bedeutsamen suchen, das mit der Zahl elf zu tun hat.«
» Ich weiß nicht einmal, ob die Datenbank für diese Art von Suche in Frage kommt. Ich meine, es geht doch immer um Gegenstände – Messer, Rasierklingen, was sie tun, und im Allgemeinen nicht, wie oft sie es tun, außer es ist ziemlich offensichtlich.«
» Sie sollten in der Bibel nachsehen. Wenn die Zahl elf eine religiöse Bedeutung hat, dann bekommen Sie vielleicht eine Vorstellung von der Motivation des Mörders.« Sie zuckte die Achseln, als wäre sie fertig, fügte dann aber hinzu: » Am Sonntag ist Ostern. Vielleicht gehört auch das zum Muster.«
» Elf Apostel«, sagte er.
Sie warf ihm wieder diesen merkwürdigen Blick zu. » Sie haben recht. Judas verriet Jesus. Danach waren es nur noch elf Apostel. Gab es da nicht einen zwölften, der ihn ersetzte – Didymus? Ich weiß es nicht mehr. Ich wette, meine Mutter weiß das.« Wieder zuckte sie die Achseln. » Natürlich könnte das alles reine Zeitverschwendung sein.«
Will war seit Langem der Überzeugung, dass Zufälle im Allgemeinen Hinweise waren. » Das ist etwas, dem man nachgehen sollte.«
» Was ist mit Felix’ Mutter?«
» Im Augenblick ist sie nur eine Vermisste.«
» Haben Sie den Bruder gefunden?«
» Die Atlanta Police sucht nach ihm.« Mehr wollte Will nicht preisgeben. Sara arbeitete im Grady, in dessen Notaufnahme den ganzen Tag lang Polizisten mit Verdächtigen und Zeugen aus und ein gingen. Er fügte hinzu: » Wir sind nicht einmal sicher, ob sie überhaupt mit unserem Fall zu tun hat.«
» Felix zuliebe hoffe ich, dass es nicht so ist. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es für ihn ist, allein gelassen zu werden und in so einem schrecklichen staatlichen Heim zu sein.«
» Diese Häuser sind nicht so schlecht«, entgegnete er. Bevor er wusste, was er sagte, gestand er ihr: » Ich bin in staatlicher Pflege aufgewachsen.«
Sie war so überrascht wie er, doch offensichtlich aus anderen Gründen. » Wie alt waren Sie?«
» Ein Kind«, antwortete er und hätte gern zurückgenommen, was er gesagt hatte, konnte sich aber nicht davon abhalten weiterzureden. » Ein Kleinkind. Fünf Monate.«
» Und Sie wurden nicht adoptiert?«
Er schüttelte den Kopf. Diese Sache war kompliziert und – schlimmer noch – peinlich.
» Mein Mann und ich …« Sie starrte gedankenverloren ins Leere. » Wir hatten vor zu adoptieren. Wir standen schon eine ganze Weile auf der Liste und …« Sie zuckte die Achseln. » Als er getötet wurde, war das alles … es war einfach zu viel.«
Will wusste nicht, ob er nun Mitgefühl zeigen sollte, aber er konnte sowieso nur daran denken, wie oft er als Junge zu einem Kennenlern-Picknick oder -Barbecue gegangen war und dabei gedacht hatte, er würde mit seinen neuen Eltern nach Hause gehen, nur um dann wieder in seinem Zimmer im Kinderheim zu landen.
Er war außerordentlich dankbar, als er die schrille Hupe von Faiths Mini hörte, den sie vorschriftswidrig vor dem Café abgestellt hatte. Sie stieg aus, ließ den Motor aber laufen.
» Amanda will uns in der Zentrale sehen.« Faith hob grüßend das Kinn in Saras Richtung. » Joelyn Zabel hat ihre Befragung vorverlegt. Sie schiebt uns zwischen Good Morning America und CNN ein. Betty können wir erst danach nach Hause bringen.«
Will hatte den Hund in seiner Hand ganz vergessen. Sie hatte ihre Schnauze in den Spalt zwischen den Knöpfen seiner Weste gesteckt.
» Ich nehme sie«, bot Sara an.
» Das könnte ich nie …«
» Ich bin den ganzen Tag zu Hause und mache meine Wäsche«, entgegnete Sara. » Sie wird’s gut haben bei mir. Kommen Sie einfach nach der Arbeit vorbei und holen sie ab.«
» Das ist wirklich …«
Faith war noch ungeduldiger als sonst. » Jetzt geben Sie ihr schon den Hund, Will.« Sie marschierte zu ihrem Auto zurück, und Will warf Sara einen entschuldigenden Blick zu.
» Die Milk Lofts?«, fragte er, als hätte er es vergessen.
Sara nahm Betty in die Hände. Er spürte, wie kalt ihre Finger waren, als sie seine Haut berührten. » Betty?«, fragte sie. Er nickte, und sie sagte: » Denken Sie sich nichts, wenn Sie erst spät kommen. Ich habe nichts vor.«
» Vielen Dank.«
Sie lächelte und hob Betty wie ein Weinglas zum Anstoßen hoch.
Will überquerte die Straße und stieg in Faiths Auto. Er war froh, dass seit seiner letzten Fahrt mit Faith kein
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