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Sara Linton 01 - Tote Augen

Sara Linton 01 - Tote Augen

Titel: Sara Linton 01 - Tote Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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über Pauline McGhee nachgedacht. Sobald er die Augen schloss, vermischten sich in seinem Kopf die Höhle und Pauline McGhee, sodass sie auf dieser Holzpritsche lag, festgebunden wie ein Tier, während Will nur hilflos dabeistand. Sie war schon einmal weggelaufen, vor zwanzig Jahren, aber jetzt hatte sie Wurzeln geschlagen. Felix war ein guter Junge. Seine Mutter würde ihn nie im Stich lassen.
    Will kicherte in sich hinein. Vor allem er sollte doch wissen, dass Mütter ihre Kinder die ganze Zeit im Stich ließen.
    » Na komm«, sagte er und zerrte an Bettys Leine, um sie von einer Taube wegzuziehen, die fast so groß war wie sie.
    Er steckte die Hand in die Tasche, um sie zu wärmen, doch seine Gedanken blieben bei dem Fall. Will war nicht so dumm, die Mehrheit seiner Verhaftungen allein seinem eigenen Können zuzuschreiben. Es war einfach so, dass Menschen, die Verbrechen begingen, eher zur Dummheit neigten. Die meisten Mörder machten Fehler, weil sie normalerweise spontan handelten. Es kam zu einem Streit, eine Waffe war bei der Hand, die Gemüter erhitzten sich, und wenn alles vorbei war, ging es nur noch darum, ob der Staatsanwalt auf Mord oder Totschlag plädierte.
    Entführungen von Fremden waren allerdings anders. Diese Fälle waren schwieriger zu lösen, vor allem, wenn es mehr als ein Opfer gab. Serienmörder waren schon per Definition gut in dem, was sie taten. Sie wussten, dass sie morden würden. Sie wussten, wen sie ermorden würden, und sie wussten genau, wie sie es tun würden. Sie hatten es immer und immer wieder getan und dabei ihre Fähigkeiten perfektioniert. Sie wussten, wie sie der Entdeckung entgingen, Spuren verwischten oder überhaupt keine hinterließen. Sie zu finden war eher ein Fall schieren Glücks seitens der Ermittler oder von Selbstgefälligkeit seitens des Mörders.
    Ted Bundy wurde bei einer Routine-Verkehrskontrolle verhaftet. Zwei Mal. BTK , der seine Briefe mit diesem Kürzel unterschrieb, um die Polizisten zu verhöhnen, und darin zu verstehen gab, dass er seine Opfer gern fesselte, folterte und tötete, wurde es zum Verhängnis, dass er seinem Pastor versehentlich eine Computerdiskette gab. Richard Ramirez wurde vom Mitglied einer Bürgerwehr verprügelt, dessen Auto er stehlen wollte. Alle verhaftet durch einen reinen Zufall, alle mit mehreren Morden auf dem Konto, bevor sie gestoppt werden konnten. In den meisten Serienmorden vergingen Jahre, und die Polizei konnte nichts anderes tun, als darauf zu warten, dass weitere Leichen auftauchten, und beten, dass der Zufall die Mörder der Gerechtigkeit überantwortete.
    Will überlegte, was sie über ihren Kerl hatten: eine weiße Limousine, die die Straße entlangraste, eine Folterkammer mitten im Wald, ältere Zeugen, die nichts Verwendbares liefern konnten. Jake Berman könnte eine Spur sein, aber es war durchaus möglich, dass sie ihn nie fanden. Rick Sigler war makellos bis auf die Tatsache, dass er bei seiner Hypothek ein paar Monate im Verzug war, was kaum schockierte. Die Coldfields waren, auf dem Papier, Musterbeispiele eines durchschnittlichen Rentnerpaars. Pauline McGhee hatte einen Bruder, wegen dem sie sich Sorgen machte, aber vielleicht machte sie sich diese Sorgen aus Gründen, die nichts mit ihrem Fall zu tun hatten. Möglicherweise hatte sie selbst mit diesem Fall überhaupt nichts zu tun.
    Die materielle Beweislage war ähnlich dünn. Die Mülltüten, die man in den Opfern gefunden hatte, waren in jedem Laden oder Supermarkt zu kaufen. Die Gegenstände aus der Höhle, die Schiffsbatterie und die Folterinstrumente, ließen sich zu rein gar nichts zurückverfolgen. Es gab genügend Fingerabdrücke und Flüssigkeiten, die sie durch den Computer gejagt hatten, aber noch hatte er keine einzige Übereinstimmung festgestellt. Tatsächlich waren fast achtzig Prozent der Verbrechen, die mit Hilfe von DNS -Spuren aufgeklärt wurden, Einbrüche und keine Gewaltverbrechen. Glas wurde zerbrochen, Küchenmesser wurden angefasst, Labello-Stifte wurden verloren – und das alles führte unweigerlich zum Einbrecher zurück, der im Allgemeinen ein langes Vorstrafenregister hatte. Aber bei der Vergewaltigung von Fremden, bei der das Opfer noch nie Kontakt mit dem Angreifer gehabt hatte, suchte man im Grunde genommen nach der Nadel im Heuhaufen.
    Betty war stehen geblieben, um im hohen Gras am See zu schnuppern. Will hob den Kopf, sah eine Läuferin auf sich zukommen. Sie trug lange, schwarze Leggings und eine neongrüne Jacke. Ihre

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