Sara Linton 01 - Tote Augen
sprechen, ich habe sie wegen der Frage angerufen, die Sie hatten – über den Apostel, der Judas ersetzte? Sein Name war Matthias.« Sie lachte und sagte im Scherz: » Ich bin mir ziemlich sicher, wenn Sie jemand mit diesem Namen finden, dann haben Sie Ihren Mörder.«
Auch er lachte. » Ich werde eine Fahndung herausgeben.«
» Zum letzten Mal in Kutte und Sandalen gesehen.«
Er schüttelte den Kopf, lächelte aber immer noch. » Bagatellisieren Sie das nicht. Das ist der beste Hinweis, den ich den ganzen Tag bekommen habe.«
» Anna redet nicht?«
» Ich habe mit Faith nicht mehr gesprochen seit …« Er wedelte mit der verletzten Hand. » Sie hätte angerufen, wenn sich irgendwas ergeben hätte.«
» Das habe ich nicht gemeint«, entgegnete Sara. » Anna. Ich weiß, das klingt komisch, aber sie ist sehr kühl. Gefühllos.«
» Sie hat viel durchgemacht.«
» Ich weiß, was Sie meinen, aber es geht darüber hinaus.« Sara schüttelte den Kopf. » Vielleicht ist es aber auch mein Ego. Ärzte sind es nicht gewöhnt, dass man mit ihnen spricht, als wären sie Bedienstete.«
» Was hat sie zu Ihnen gesagt?«
» Als ich ihr das Baby brachte – Balthazar –, ich weiß auch nicht, das war sonderbar. Ich habe ja keinen Orden erwartet, aber ich dachte, sie würde mir wenigstens danken. Aber sie meinte nur, ich könne jetzt gehen.«
Will krempelte den Ärmel wieder herunter. » Keine dieser Frauen war besonders liebenswürdig.«
» Faith sagte, es könnte da eine Anorexie-Verbindung geben.«
» Möglich. Ich weiß nicht sehr viel darüber. Sind Anorektiker im Allgemeinen schreckliche Menschen?«
» Natürlich nicht. Jeder ist anders. Faith fragte mich heute Nachmittag dasselbe. Ich sagte ihr, man muss schon sehr gestört sein, um freiwillig zu hungern, aber das bedeutet nicht automatisch, dass diese Leute unfreundlich sind.« Sara überlegte. » Ihr Mörder hatte sich diese Frauen wahrscheinlich nicht ausgesucht, weil sie Anorektiker sind. Er sucht sie sich aus, weil sie furchtbare Menschen sind.«
» Wenn sie furchtbare Menschen sind, dann muss er sie vorher gekannt und Kontakt mit ihnen gehabt haben.«
» Haben Sie bereits andere Verbindungen außer der Anorexie gefunden?«
» Alle sind unverheiratet. Zwei der Frauen haben Kinder. Eine hasst Kinder. Eine wollte ein Kind oder vielleicht auch nicht.« Dann fügte er hinzu: » Bankerin, Anwältin, Immobilienmaklerin und Innendesignerin.«
» Was für eine Anwältin?«
» Firmenanwältin.«
» Keine Immobilienvertragsabschlüsse?«
Er schüttelte den Kopf. » Und auch die Bankerin hatte nichts mit Hypotheken zu tun. Sie war verantwortlich für Öffentlichkeitsarbeit – Wohltätigkeitsveranstaltungen, dafür sorgen, dass der Präsident der Bank sich mit krebskranken Kindern in der Zeitung sieht. Solche Sachen.«
» Sie sind nicht in einer Selbsthilfegruppe?«
» Es gibt einen Chatroom, aber ohne Passwort kommen wir da nicht rein.« Er rieb sich mit den Händen die Augen. » Alles dreht sich im Kreis.«
» Sie sehen müde aus. Vielleicht sehen Sie klarer, wenn Sie sich mal gut ausschlafen.«
» Ja, ich sollte gehen.« Aber er tat es nicht. Er saß einfach da und schaute sie an.
Sara spürte, wie es plötzlich sehr still wurde im Zimmer und die Luft so stickig, dass ihr das Atmen schwerfiel. Sehr deutlich spürte sie den Druck des Goldrings auf der Haut ihres vierten Fingers, und sie spürte, dass ihr Schenkel seinen berührte.
Will brach den Bann, indem er sich umdrehte und nach seinem Sakko griff. » Ich muss jetzt wirklich los«, sagte er und stand auf, um das Jackett anzuziehen. » Ich muss eine Prostituierte finden.«
Sie war sicher, ihn falsch verstanden zu haben. » Wie bitte?«
Er kicherte. » Eine Zeugin namens Lola. Sie war diejenige, die sich um das Baby kümmerte und uns den Tipp wegen Annas Wohnung gab. Ich suche schon den ganzen Nachmittag nach ihr. Ich denke, jetzt am Abend ist sie wahrscheinlich aus ihrem Bau gekrochen.«
Sara blieb auf der Couch, weil sie es besser fand, eine gewisse Distanz zu ihm zu halten, damit er nicht auf falsche Gedanken kam. » Ich packe Ihnen noch ein Stückchen Pizza ein.«
» Machen Sie sich nicht die Mühe.« Er ging zur anderen Couch und zog Betty aus dem Hundegewirr. Er drückte sie sich an die Brust. » Danke für das Gespräch.« Dann zögerte er kurz. » Was ich gesagt hab über …« Wieder hielt er inne. » Vielleicht vergessen Sie es am besten, okay?«
Sie suchte verzweifelt nach etwas, das
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