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Sara Linton 01 - Tote Augen

Sara Linton 01 - Tote Augen

Titel: Sara Linton 01 - Tote Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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nicht abweisend oder – schlimmer noch – nach einer Einladung klang. » Natürlich. Kein Problem.«
    Er lächelte sie wieder an und verließ dann die Wohnung.
    Sara lehnte sich auf der Couch zurück, stieß zischend die Luft aus und fragte sich, was, zum Teufel, eben passiert war. Sie ging die Unterhaltung noch einmal durch und überlegte, ob sie Will ein Zeichen, ein unbeabsichtigtes Signal gegeben hatte. Aber vielleicht war da gar nichts gewesen. Vielleicht interpretierte sie ganz einfach in den Blick, den er ihr zugeworfen hatte, als sie sich beide auf die Couch setzten, zu viel hinein. Natürlich machte es die Sache auch nicht besser, dass sie drei Minuten vor Wills Ankunft erotische Gedanken gehabt hatte. Dennoch ging sie die Situation noch einmal durch und versuchte herauszufinden, was zu diesem Augenblick der Verlegenheit geführt oder ob es überhaupt einen Augenblick der Verlegenheit gegeben hatte.
    Erst als sie seine Hand über die Schale gehalten und seine Knöchel gereinigt hatte, hatte sie bemerkt, dass Will Trent seinen Ehering nicht mehr trug.

19 . Kapitel
    W ill fragte sich, wie viele Männer auf dieser Welt in ihren Autos saßen und nach Prostituierten Ausschau hielten. Hunderttausende, vielleicht Millionen. Er blickte zu Betty hinüber und dachte sich, dass er wahrscheinlich der Einzige war, der das mit einem Chihuahua auf dem Beifahrersitz tat.
    Zumindest hoffte er es.
    Will schaute seine Hände an, die Pflaster über seiner aufgeplatzten Haut. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal in einen ernsthaften Streit geraten war. Es musste damals im Kinderheim gewesen sein. Es hatte da einen Schläger gegeben, der ihm das Leben zur Hölle gemacht hatte. Immer und immer wieder hatte Will es über sich ergehen lassen, doch irgendwann war etwas in ihm gerissen, und danach hatte Tony Campano ausgeschlagene Vorderzähne gehabt, sodass er aussah wie ein Halloween-Kürbis.
    Will bewegte die Finger. Sara hatte sich mit den Pflastern große Mühe gegeben, aber er konnte nicht verhindern, dass sie sich ablösten. Will versuchte zusammenzuzählen, wie oft er in seiner Kindheit beim Arzt gewesen war. Für fast jeden Besuch konnte er eine Narbe auf seinem Körper vorweisen, und er nahm sie als Erinnerungsbrücke, um den Pflegevater oder den Heimleiter zu benennen, der so freundlich gewesen war, ihm Knochen zu brechen, ihn zu brennen oder seine Haut aufzureißen.
    Er verlor die Übersicht, oder vielleicht konnte er einfach nicht klar denken, weil er immer wieder das Bild vor Augen hatte, wie Sara Linton aussah, als sie ihm die Tür geöffnet hatte. Er wusste, dass ihre Haare lang waren, aber sie trug sie immer hochgesteckt. Diesmal waren sie offen gewesen – weiche Locken, die ihr über die Schultern fielen. Sie trug Jeans und eine langärmelige Baumwollbluse, und beides brachte ihre Vorzüge sehr gut zur Geltung. Sie lief in Strümpfen herum, ihre Schuhe lagen neben der Tür. Außerdem roch sie gut – nicht nach Parfum, einfach nur sauber und weich und wunderbar. Während sie seine Hand versorgte, hatte er sich sehr anstrengen müssen, um nicht den Kopf zu senken und an ihren Haaren zu riechen.
    Das erinnerte Will an einen Spanner, den er vor einigen Jahren im Butts County geschnappt hatte. Der Mann war Frauen auf den Parkplatz des örtlichen Einkaufszentrums gefolgt und hatte ihnen Geld angeboten, um an ihren Haaren riechen zu dürfen. Will konnte sich noch gut an den Bericht darüber im Lokalfernsehen erinnern, an den Sheriff, der vor der Kamera sichtlich nervös war. Das Einzige, was ihm auf die Frage des Reporters einfiel, war: » Er hat ein Problem. Ein Problem mit Haaren.«
    Will hatte ein Problem mit Sara Linton.
    Er kraulte Betty am Kinn, während er vor einer roten Ampel wartete. Dem Chihuahua war es sehr gut gelungen, sich bei Saras Hunden einzuschmeicheln, aber Will war nicht so dumm, zu glauben, dass er selbst auch nur den Hauch einer Chance hatte. Kein Mensch musste ihm sagen, dass er nicht der Typ Mann war, auf den Sara Linton stand. Zum einen wohnte sie in einem Palast. Will hatte sein Haus vor ein paar Jahren renoviert, deshalb kannte er den Preis für all die hübschen Sachen, die er sich nicht leisten konnte. Allein Saras Kücheneinrichtung dürfte ungefähr fünfzigtausend Dollar gekostet haben, das Doppelte der Summe, die er für sein ganzes Haus ausgegeben hatte.
    Zum anderen war sie intelligent, und sie war Ärztin. Man studierte nicht Medizin, wenn man dumm war, denn sonst

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