Sara Linton 01 - Tote Augen
hatte angeboten, auf den Hund aufzupassen, weil sie Details über den Fall hören wollte. Sie wollte etwas zu der Ermittlung beitragen. Sie wollte wieder nützlich sein.
Will stand mitten im Zimmer, der dreiteilige Anzug zerknittert, die Weste locker, als hätte er in letzter Zeit Gewicht verloren. Sie hatte in ihrem Leben noch niemanden gesehen, der so verloren wirkte.
» Setzen Sie sich doch«, sagte sie zu ihm.
Er wirkte unentschlossen, entschied sich dann aber für die Couch den Hunden gegenüber. Er saß nicht so, wie Männer normalerweise sitzen – breitbeinig, mit den Armen auf der Rückenlehne. Er war ein großer, kräftiger Kerl, aber er schien hart daran zu arbeiten, nicht zu viel Platz einzunehmen.
Sara fragte: » Haben Sie schon gegessen?«
Er schüttelte den Kopf, und sie stellte den Pizzakarton auf den Tisch. Die Hunde waren an dieser Entwicklung sehr interessiert, deshalb setzte Sara sich zu ihnen auf die Couch. Sie wartete, dass Will sich ein Stück nahm, aber er hatte die Hände auf den Knien und saß ihr einfach nur gegenüber.
Er fragte: » Ist das der Ring Ihres Mannes?«
Überrascht schaute sie zu dem Ring hinüber, der flach auf dem polierten Mahagoni lag. Der Brief lag am anderen Ende des Simses, und Sara hatte kurz die Befürchtung, dass Will vermuten könnte, was darin war.
» Entschuldigung«, sagte er. » Ich sollte nicht so neugierig sein.«
» Er ist es«, entgegnete sie und merkte, dass sie den Daumen auf den entsprechenden Ring an ihrem Finger drückte und ihn nervös drehte.
» Was ist mit …« Er drückte sich die Hand an die Brust.
Sara ahmte die Bewegung nach und fühlte sich nackt, als sie Jeffreys College-Ring unter der dünnen Bluse spürte. » Etwas anderes«, antwortete sie, weil sie nicht ins Detail gehen wollte.
Er nickte und sah sich weiter im Zimmer um. » Ich wurde in einem Küchenabfalleimer gefunden.« Der Satz kam abrupt, überraschend. Er erläuterte: » Zumindest steht es so in meiner Akte.«
Sara wusste nicht, wie sie reagieren sollte, vor allem als er lachte, als hätte er bei einem Kirchenbasar einen anzüglichen Witz gerissen.
» Entschuldigung. Ich weiß gar nicht, warum ich das gesagt habe.« Er zog ein Stück Pizza aus dem Karton und fing den tropfenden Käse mit der anderen Hand auf.
» Ist schon okay«, sagte sie und legte Bob die Hand auf den Nacken, denn der Windhund näherte sich dem Tisch. Sie verstand überhaupt nicht, was Will eigentlich sagen wollte. Er hätte ihr ebenso gut sagen können, er sei auf dem Mond geboren worden.
Sie fragte: » Wie alt waren Sie?«
Er schluckte erst hinunter und sagte dann: » Fünf Monate.« Er nahm sich noch ein Pizzastück, und sie sah seine Kiefer mahlen. Sara stellte sich Will Trent mit fünf Monaten vor. Er hatte wohl eben angefangen, sich selbstständig aufzusetzen und Geräusche zu erkennen.
Er nahm noch einen Bissen und kaute nachdenklich. » Meine Mutter hat mich dort abgelegt.«
» Im Mülleimer?«
Er nickte. » Jemand brach in das Haus ein – ein Mann. Sie wusste, er würde sie umbringen, und mich wahrscheinlich auch. Sie versteckte mich im Mülleimer unter dem Waschbecken, und er fand mich nicht. Ich schätze, ich konnte damals schon still sein.« Er lächelte schief. » Ich war heute in Annas Wohnung und habe in jeden Mülleimer geschaut. Die ganze Zeit musste ich daran denken, was Sie heute Morgen gesagt haben: Dass der Killer die Mülltüten in die Frauen stopfte, als eine Botschaft, weil er der Welt sagen wollte, dass sie Müll waren, bedeutungslos.«
» Aber Ihre Mutter versuchte offensichtlich, Sie zu beschützen. Sie sandte keine Botschaft.«
» Ja«, sagte er. » Ich weiß.«
» Wurde der …« Ihr Verstand arbeitete nicht gut genug, um ganze Fragen stellen zu können.
» Ob der Kerl gefasst wurde, der sie umbrachte?«, fragte Will, indem er den Satz beendete. Er sah sich noch einmal im Zimmer um. » Wurde die Person gefasst, die Ihren Mann umbrachte?«
Er hatte die Frage gestellt, aber er erwartete keine Antwort. Er wollte damit sagen, dass es unwichtig war, und genau das hatte Sara empfunden, als sie erfuhr, dass der Mann, der Jeffreys Tod inszeniert hatte, tot war. Sie sagte: » Jedem Polizisten, der darüber Bescheid weiß, ist nur das wichtig. Ob der Kerl gefasst wurde.«
» Aug um Aug.« Er deutete auf die Pizza. » Was dagegen, wenn ich …«
Er hatte bereits die halbe Pizza gegessen. » Nehmen Sie ruhig.«
» Es war ein langer Tag.«
Sie lachte über die
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