Sara Linton 01 - Tote Augen
nachgedacht.«
Faith seufzte und drückte auf den Aufzugsknopf.
» Komm her.« Er zog sie in die Nische gegenüber dem Aufzug. Dort stand ein Verkaufsautomat mit drei Reihen Zuckerkrapfen, das wusste Faith, ohne hinsehen zu müssen.
Sam strich ihr die Haare hinters Ohr. Faith wich ihm aus. So früh am Morgen war sie noch nicht bereit für Intimitäten. Sie wusste nicht einmal so recht, ob sie je dafür bereit war. Ohne nachzudenken, hob sie den Kopf, um nachzusehen, ob sie von einer Überwachungskamera erfasst wurden.
Er sagte: » Ich war an dem Abend ein Arschloch. Tut mir leid.«
Sie hörte die Aufzugstüren auf- und wieder zugehen. » Ist schon okay.«
» Nein, ist es nicht.« Er beugte sich vor, um sie zu küssen, doch sie wich ihm wieder aus.
» Sam, ich bin in der Arbeit.« Sie sagte nicht, was sie sonst noch dachte, nämlich dass sie mitten in einem Fall steckte, bei dem eine Frau getötet, eine andere gefoltert worden war und zwei weitere vermisst wurden. » Das ist nicht die richtige Zeit dafür.«
» Es ist nie die richtige Zeit«, sagte er, und das hatte er ihr schon vor Jahren des Öfteren gesagt, als sie noch etwas miteinander hatten. » Ich will es mit dir noch einmal versuchen.«
» Was ist mit Gretchen?«
Er zuckte die Achseln. » Geht auf Nummer sicher.«
Faith stöhnte und stieß ihn weg. Sie ging wieder zum Aufzug und drückte den Knopf. Da Sam nicht wegging, sagte sie zu ihm: » Ich bin schwanger.«
» Das weiß ich doch.«
» Ich will dir ja nicht das Herz brechen, aber das Baby ist nicht von dir.«
» Egal.«
Sie drehte sich zu ihm um. » Willst du ein paar Geister vertreiben, weil deine Frau eine Abtreibung hatte?«
» Ich versuche, in dein Leben zurückzufinden, Faith. Ich weiß, das muss zu deinen Bedingungen passieren.«
Faith sträubte sich gegen dieses zweifelhafte Kompliment. » Ich meine, mich daran zu erinnern, dass eines der Probleme zwischen uns, abgesehen davon, dass du ein Säufer warst, ich eine Polizistin war und meine Mutter dich für den Antichrist hielt, darin lag, dass es dir nicht gefiel, dass ich einen Sohn hatte.«
» Ich war eifersüchtig auf die Aufmerksamkeit, die du ihm geschenkt hast.«
Zu der Zeit hatte sie ihm genau das vorgeworfen. Jetzt zu hören, dass er es zugab, raubte ihr fast den Atem.
» Ich bin erwachsen geworden«, sagte er.
Die Aufzugstür ging auf. Faith versicherte sich, dass die Kabine leer war, und hielt dann die Tür mit der Hand offen. » Jetzt im Augenblick kann ich dieses Gespräch nicht führen. Ich habe zu arbeiten.« Sie stieg in den Aufzug und ließ die Tür los.
» Jake Berman lebt im Coweta County.«
Faith hätte sich beinahe die Hand in dem sich schließenden Aufzug eingeklemmt. » Was?«
Er zog sein Notizbuch aus der Tasche und schrieb. » Ich habe ihn über seine Kirche gefunden. Er ist Diakon und Lehrer in der Sonntagsschule. Sie haben eine klasse Webseite mit seinem Foto. Lämmer und Regenbogen. Evangelikal.«
Faith konnte die Information noch nicht so recht verarbeiten. » Warum hast du ihn gesucht?«
» Ich wollte sehen, ob ich dir zuvorkommen kann.«
Faith gefiel die ganze Richtung nicht. Sie versuchte, die Situation zu neutralisieren. » Hör zu, Sam, wir wissen ja gar nicht, ob er ein böser Junge ist.«
» Schätze, du warst noch nie auf dem Männerklo in der Mall of Georgia.«
» Sam …«
» Ich habe nicht mit ihm gesprochen«, sagte er. » Ich wollte nur sehen, ob ich ihn finden kann, wenn niemand sonst es schafft. Ich habe die Nase voll davon, dass Rockdale mir in die Eier kneift. Es ist mir viel lieber, wenn du es tust.«
Faith ließ auch diesen Spruch unkommentiert. » Gib mir den Vormittag Zeit, damit ich mit ihm reden kann.«
» Ich hab’s dir doch gesagt, ich suche keine Geschichte.« Er grinste und zeigte alle seine Zähne. » Es war eher eine sportliche Übung.«
Sie starrte ihn aus halb zusammengekniffenen Augen an.
» Ich wollte sehen, ob ich deinen Job machen kann.« Er riss das Blatt aus seinem Buch und zwinkerte ihr zu. » War ziemlich einfach.«
Faith schnappte sich die Adresse, bevor er seine Meinung ändern konnte. Er schaute ihr in die Augen, bis die Tür sich geschlossen hatte, und dann starrte Faith ihr Spiegelbild auf der Innenseite der Tür an. Sie schwitzte bereits, doch sie vermutete, dass man das im Notfall auch für ein Schwangerschaftsglühen halten konnte. Ihre Haare kräuselten sich, weil die Temperatur das Thermometer hochkroch, obwohl es erst April war.
Sie
Weitere Kostenlose Bücher