Sara Linton 01 - Tote Augen
Feld nicht gerne überlassen.«
Faith lachte und dachte, dass Saras Ehemann wahrscheinlich ein guter Polizist gewesen war. Auch Faith war eine gute Polizistin, und sie wusste, es war ein Uhr morgens und Sara hatte bereits vor sechs Stunden gesagt, dass ihre Schicht vorüber sei. Faith musterte die Ärztin. Sara strahlte das unmissverständliche Glühen eines Adrenalin-Junkies aus. Sie war wegen Informationen hier.
Nun sagte Sara: » Ich habe Henry Coldfield behandelt, den Fahrer.« Bis jetzt hatte sie noch nichts gegessen, aber sie war in die Cafeteria gekommen, um Faith zu finden, und nicht, um ein Stück Hähnchen zu essen, das bei Nixons Rücktritt geschlüpft war. » Der Airbag hat seine Brust gequetscht, und seine Frau brauchte ein paar Stiche an der Hand, ansonsten aber geht es beiden gut.«
» Die beiden sind der Grund, warum ich noch hier bin.« Faith schaute wieder auf die Uhr. » Sie sollten sich eigentlich hier unten mit mir treffen.«
Sara schaute verwirrt drein. » Sie fuhren vor mindestens einer halben Stunde mit ihrem Sohn weg.«
» Was?«
» Ich habe sie mit diesem Detective mit den fettigen Haaren sprechen sehen.«
» Scheißkerl.« Kein Wunder, dass Max Galloway so selbstgefällig ausgesehen hatte, als er die Cafeteria verließ. » Tut mir leid«, sagte Faith. » Einer der Örtlichen ist schlauer, als ich dachte. Er hat mich zum Narren gehalten.«
» Coldfield ist ein ungewöhnlicher Name«, sagte Sara. » Ich bin mir sicher, Sie finden sie im Telefonbuch.«
Faith hoffte es, denn sie hatte keine Lust, zu Max Galloway zurückzukriechen und ihm die Befriedigung zu geben, ihr gnädigerweise die Informationen zukommen zu lassen.
Sara bot an: » Ich könnte Ihnen Adresse und Telefonnummer aus den Krankenhausaufnahmeformularen heraussuchen.«
Faith überraschte das Angebot, denn normalerweise war für so etwas ein richterlicher Beschluss nötig. » Das wäre super.«
» Kein Problem.«
» Es ist, äh …« Faith biss sich auf die Zunge, damit sie der Frau nicht sagte, dass das eigentlich ein Gesetzesverstoß war. » Will hat mir gesagt, Sie haben an dem Opfer gearbeitet, als es gebracht wurde.«
» Anna«, sagte Sara. » Zumindest habe ich sie so verstanden.«
Faith wagte sich vor. Will hatte ihr die grausigen Details noch nicht berichtet. » Was hatten Sie für einen Eindruck?«
Sara lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. » Sie zeigte Symptome extremer Unterernährung und Dehydrierung. Ihr Zahnfleisch war weiß, die Adern kollabiert. Aufgrund der Art der Abheilung und der Blutgerinnung würde ich annehmen, dass ihr die Wunden im Verlauf eines gewissen Zeitraums beigebracht wurden. Hand- und Fußgelenke zeigten Fesselspuren. Sie wurde vaginal und anal penetriert, es gab Hinweise darauf, dass ein stumpfer Gegenstand benutzt wurde. Ich konnte vor der Operation keine komplette Vergewaltigungsanalyse vornehmen, aber ich habe sie untersucht, so gut ich konnte. Unter ihren Fingernägeln fand ich einige Holzsplitter, die sich Ihr Labor anschauen sollte – vom ersten Augenschein her nicht von einer Spanplatte, aber das müssen Ihre Jungs bestätigen.«
Sie klang, als würde sie eine Aussage vor Gericht machen. Jede Beobachtung hatte stützende Indizien, jede Vermutung war als Vermutung formuliert. Faith fragte: » Was glauben Sie, wie lange wurde sie gefangen gehalten?«
» Mindestens vier Tage. Ausgehend vom Grad ihrer Unterernährung könnten es aber auch eine Woche bis zehn Tage gewesen sein.«
Faith wollte lieber nicht darüber nachdenken, dass die Frau vielleicht zehn Tage lang gequält worden war. » Wie können Sie bei den vier Tagen so sicher sein?«
» Der Schnitt an der Brust hier«, sagte Sara und deutete seitlich auf ihre Brust. » Er war tief, bereits septisch, mit Hinweisen auf Insektenaktivität. Sie müssen mit einem Entomologen reden, um die Verpuppung genau zu bestimmen – den Entwicklungsgrad eines Insekts –, aber angesichts dessen, dass sie noch lebte, dass ihr Körper relativ warm war und es frisches Blut als Nahrung für die Insekten gab, ist vier Tage eine solide Vermutung.« Dann fügte sie noch hinzu: » Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir es schaffen werden, das Gewebe zu erhalten.«
Faith presste die Lippen fest zusammen und verkniff es sich, die Hand auf die eigene Brust zu legen. Wie viele Teile von einem selbst konnte man verlieren und trotzdem weitermachen?
Sara redete weiter, obwohl Faith sie nicht gedrängt hatte. » Die elfte Rippe, hier«
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