Sara Linton 01 - Tote Augen
vorläufigen Berichte an mein Büro faxen könnten. Die Nummer steht ganz unten.«
Er schnappte sich die Karte, stieß beim Hinausgehen an den Tisch und murmelte: » Lächle nur weiter, du Schlampe.«
Faith bückte sich und hob den Stuhl wieder auf, und beim Aufrichten wurde es ihr leicht schwindelig. Die diabetesberatende Krankenschwester war eher Letzteres als Ersteres gewesen, und Faith wusste noch immer nicht so recht, was sie mit all den Diabetes-Instrumenten und -Artikeln tun sollte. Sie hatte Notizen, Formulare, ein Protokollheft und alle möglichen Testergebnisse, die sie morgen ihrer Ärztin geben sollte. Für sie ergab das alles keinen Sinn. Aber vielleicht war sie einfach zu schockiert, um das alles zu verarbeiten. Sie war schon immer gut im Rechnen gewesen, aber bei dem Gedanken, ihr Essen abzuwiegen und ihre Insulinmenge zu berechnen, schwirrte ihr der Kopf.
Der letzte Schlag war das Ergebnis des Schwangerschaftstests gewesen, den man freundlicherweise an die anderen Ergebnisse ihrer Blutuntersuchung angeheftet hatte. Faith hatte sich immer an die Hoffnung geklammert, dass diese frei verkäuflichen Schwangerschaftstests vielleicht ungenau waren, alle drei. Wie exakt konnte etwas sein, auf das man pinkeln musste? Sie hatte geschwankt zwischen dem Gedanken, sie sei schwanger, und dem Gedanken, sie hätte einen Magentumor, und sie hatte nicht so recht gewusst, was ihr lieber wäre. Als die Krankenschwester ihr freudestrahlend sagte: » Sie bekommen ein Baby!«, hatte Faith sich gefühlt, als würde sie gleich wieder ohnmächtig werden.
Doch im Augenblick konnte sie rein gar nichts dagegen tun. Sie setzte sich wieder an den Tisch und starrte Rick Siglers und Jake Bermans Telefonnummern an. Sie war sich ziemlich sicher, dass Jakes Nummer falsch war, aber sie war kein Neuling in diesem Spiel. Max Galloway war verärgert gewesen, als sie die Männer um ihre Führerscheine gebeten und die Information in ihr Notizbuch geschrieben hatte. Allerdings war Galloway auch kein totaler Idiot. Sie hatte gesehen, wie auch er sich die Telefonnummern notierte, als er mit dem Handy telefonierte. Bei dem Gedanken, dass Galloway sie um Jake Bermans persönliche Daten bitten musste, grinste Faith.
Sie schaute noch einmal auf die Uhr und fragte sich, wo die Coldfields blieben. Galloway hatte Faith gesagt, man habe das Paar aufgefordert, sofort nach ihrer Entlassung aus der Notaufnahme in die Cafeteria zu kommen, aber das Paar schien sich sehr viel Zeit zu lassen. Faith hätte auch gern gewusst, was Will getan hatte, damit Galloway ihn einen Wahnsinnigen nannte. Sie wäre die Erste, die zugeben würde, dass ihr Partner alles andere als konventionell war. Er hatte auf jeden Fall seine ganz eigene Art, Dinge zu tun, aber Will Trent war der beste Polizist, mit dem Faith je gearbeitet hatte – auch wenn er die sozialen Fähigkeiten eines ungeschickten Kleinkinds hatte. So hätte Faith zum Beispiel gerne selbst von ihrem Partner gehört, dass man ihnen den Fall zugewiesen hatte, anstatt es von einem Inzucht-Weimaraner aus dem Rockdale County zu erfahren.
Vielleicht war es besser, dass sie jetzt ein bisschen Zeit hatte, bevor sie mit Will redete. Sie hatte keine Ahnung, wie sie erklären sollte, warum sie auf dem Gerichtsparkplatz ohnmächtig geworden war, ohne ihm wirklich die Wahrheit zu sagen.
Sie stöberte in der Plastiktüte mit den Diabetesartikeln, zog die Broschüre heraus, die die Krankenschwester ihr gegeben hatte, und hoffte, dass sie sich diesmal darauf würde konzentrieren können. Faith kam nicht viel weiter als bis: » Nun, Sie haben Diabetes«, bevor sie sich wieder einmal sagte, dass da irgendein Fehler passiert sein musste. Nach der Insulinspritze hatte sie sich besser gefühlt, vielleicht hatten aber auch die paar Minuten Liegen den Ausschlag gegeben. Hatte sie überhaupt eine diabetische Vorgeschichte in der Familie? Sie sollte ihre Mutter anrufen, aber sie hatte Evelyn ja nicht einmal gesagt, dass sie schwanger war. Außerdem war die Frau auf Urlaub in Mexiko, ihr erster Urlaub seit Jahren. Faith wollte sicher sein, dass ihre Mutter medizinische Versorgung in Reichweite hatte, wenn sie es ihr sagte.
Der Mensch, den sie wirklich anrufen sollte, war ihr Bruder. Captain Zeke Mitchell war Chirurg bei der Air Force und in Landshut, Deutschland, stationiert. Als Arzt würde er alles über ihren Zustand wissen, was vermutlich der Grund war, warum sie davor zurückschreckte, sich an ihn zu wenden. Als die
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