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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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denn nicht?«
    » Ich begreife es.«
    »Ich weiß. Darum wollte ich mit Ihnen reden.«
    »Wie wäre es mit einem vorgezogenen Abendessen im Stadtpark von Castle Rock? Dieselbe Stelle wie Freitag. Sagen wir gegen fünf?«
    »Ich müßte Ki mitbringen -«
    »Prima«, sagte ich. »Bringen Sie sie mit. Sagen Sie ihr, ich kenne ›Hänsel und Gretel‹ auswendig und bin bereit, es zu erzählen. Werden Sie John in Philly anrufen? Ihm die Einzelheiten durchgeben?«

    »Ja. Ich warte noch eine Stunde oder so. Gott, ich bin so glücklich. Ich weiß, es ist falsch, aber ich bin trotzdem so glücklich, daß ich platzen könnte!«
    »Damit sind wir schon zu zweit.« Es folgte eine Pause am anderen Ende. Ich hörte einen langen, schluchzenden Atemzug. »Mattie? Alles in Ordnung?«
    »Ja, aber wie erklärt man einer Dreijährigen, daß ihr Großvater gestorben ist?«
    Sagen Sie ihr, der alte Wichser ist gestolpert und mit dem Kopf voraus in eine Plastiktüte gefallen , dachte ich und hielt sofort die Hand vor den Mund, um ein hysterisches Gekicher zu unterdrücken.
    »Ich weiß nicht, aber Sie müssen es hinter sich bringen, sobald sie reinkommt.«
    »Muß ich? Warum?«
    »Weil sie Sie sehen wird. Sie wird Ihr Gesicht sehen.«
     
    Ich hielt es genau zwei Stunden im oberen Arbeitszimmer aus, dann vertrieb mich die Hitze - das Thermometer auf der hinteren Veranda zeigte um zehn Uhr fünfunddreißig Grad an. Ich schätzte, daß es im ersten Stock noch fünf Grad wärmer sein würde.
    In der Hoffnung, keinen Fehler zu machen, zog ich den Stecker der IBM heraus und trug sie nach unten. Ich arbeitete ohne Hemd, und als ich das Wohnzimmer durchquerte, rutschte die Rückseite der Schreibmaschine an meinem verschwitzten Oberkörper ab, und ich ließ das obsolete Mistding fast auf meine Zehen fallen. Da mußte ich an meinen Knöchel denken, den ich mir beim Sturz in den See verletzt hatte, und ich stellte die Schreibmaschine beiseite, um ihn mir anzusehen. Er war höchst bunt, schwarz und purpurn und rötlich an den Rändern, aber nicht übermäßig dick. Ich schätze, der Aufenthalt im kalten Wasser hatte dazu beigetragen, die Schwellung zu unterbinden.
    Ich stellte die Schreibmaschine auf den Verandatisch, suchte ein Verlängerungskabel, steckte den Stecker unter Bunters wachsamem Blick ein, setzte mich und betrachtete die dunstige, blaugraue Oberfläche des Sees. Ich wartete, daß mich
einer meiner alten Anfälle von Angst überkommen würde - Magenkrämpfe, pochende Augen, und, am schlimmsten, das Gefühl unsichtbarer Stahlbänder, die sich um meine Brust legten und es mir unmöglich machten, zu atmen. Nichts dergleichen geschah. Die Worte strömten hier unten so mühelos wie oben, und ich empfand die leichte Brise, die hin und wieder vom See kam und über meinen nackten Oberkörper strich, als angenehm. Ich vergaß Max Devore, Mattie Devore, Kyra Devore. Ich vergaß Jo Noonan und Sara Tidwell. Ich vergaß mich selbst. Zwei Stunden war ich in Florida. John Shacklefords Hinrichtung stand bevor. Andy Drake rannte mit der Uhr um die Wette.
    Das Telefon holte mich in die Wirklichkeit zurück, und endlich einmal war ich dankbar für die Unterbrechung. Ohne die Störung hätte ich vielleicht einfach weitergeschrieben, bis ich zu einem verschwitzten Haufen Glibbermasse auf der Veranda geschmolzen wäre.
    Es war mein Bruder. Wir unterhielten uns über Mom - Siddy war der Meinung, inzwischen habe sie keine einzige Tasse mehr im Schrank - und ihre Schwester Francine, die sich im Juni die Hüfte gebrochen hatte. Sid wollte wissen, wie es mir ging, und ich sagte ihm, es ginge mir gut, ich hätte einige Probleme gehabt, mit einem neuen Buch in die Gänge zu kommen, schiene aber über den Berg zu sein (in meiner Familie darf man sich nur über Probleme unterhalten, wenn sie bewältigt sind). Und wie ging es dem Sidster? Rattenscharf, antwortete er, was wahrscheinlich prima bedeutete - Siddy hat einen Zwölfjährigen, und infolgedessen ist sein Wortschatz immer auf dem neuesten Stand. Seine neue Steuerberatungsfirma fasse allmählich Fuß, auch wenn er eine Zeitlang Angst gehabt hätte (das war natürlich das erste, was ich hörte). Er könne mir gar nicht genug für den Überbrückungskredit danken, den ich ihm im vergangenen November zur Verfügung gestellt hatte. Ich antwortete, das sei doch das mindeste gewesen, was ich tun konnte, und das war die reine Wahrheit, zumal wenn ich berücksichtigte, daß er sehr viel mehr Zeit - persönlich und am

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