Sara
seine verblaßte blaue Mütze der Unionsarmee blieben trocken, weil der Regen nicht auf ihn fiel, sondern durch ihn hindurch. Er sah solide aus, war aber ebensowenig real wie Sara selbst. Daran erinnerte ich mich, als ich auf den Weg trat, um mich ihm entgegenzustellen, aber mein Herz schlug schneller und klopfte in meiner Brust wie ein gepolsterter Hammer.
Er trug Jared Devores Kleidung, aber dies war nicht Jared Devore. Dies war Jareds Urenkel Max, der seine Laufbahn mit
dem Diebstahl eines Schlittens begonnen und durch Selbstmord beendet hatte … aber davor hatte er noch die Ermordung seiner Schwiegertochter in Auftrag gegeben, die die Stirn hatte, ihm zu verweigern, was er sich so sehr gewünscht hatte.
Ich ging auf ihn zu, und er stellte sich mitten auf die Straße und versperrte mir den Weg. Ich konnte die kochende Kälte spüren, die von ihm ausging. Ich sage exakt, was ich meine, und drücke aus, woran ich mich erinnere, so deutlich ich es vermag: Ich konnte die kochende Kälte spüren, die von ihm ausging. Ja, es war wirklich Max Devore, aber angezogen wie ein Holzfäller bei einem Kostümfest, und er sah so aus, wie er etwa zu der Zeit ausgesehen haben mußte, als sein Sohn Lance geboren wurde. Alt, aber rüstig. Die Art von Mann, zu dem jüngere Männer durchaus aufschauen mochten. Und als hätte der Gedanke sie gerufen, konnte ich nun auch die anderen erkennen, die hinter ihm schwach flimmernd auftauchten und in einer Reihe quer auf dem Weg standen. Das waren diejenigen, die mit Jared auf dem Jahrmarkt in Fryeburg gewesen waren, und jetzt kannte ich einige von ihnen. Fred Dean natürlich, 1901 erst neunzehn Jahre alt, und es sollten noch mehr als dreißig Jahre vergehen, bis er seine Tochter ertränkte. Und derjenige, der mich an mich selbst erinnert hatte, war Harry Auster, der Erstgeborene der Schwester meines Urgroßvaters. Er mußte sechzehn sein, kaum so alt, daß ihm ein Flaum wuchs, aber alt genug, um mit Jared im Wald zu arbeiten. Alt genug, um in dieselbe Latrine zu scheißen wie Jared. Um Jareds Gift für Weisheit zu halten. Einer der anderen drehte den Kopf und blinzelte gleichzeitig - ich hatte diesen Tic schon gesehen. Wo? Dann fiel es mir ein: im Lakeview General. Dieser junge Mann war der Vater des verstorbenen Royce Merrill. Die anderen kannte ich nicht. Und ich wollte sie auch nicht kennenlernen.
»An uns kommen Sie nicht vorbei«, sagte Devore. Er hielt beide Hände hoch. »Denken Sie nicht mal dran, es zu versuchen. Hab’ ich recht, Jungs?«
Sie murmelten knurrend ihre Zustimmung - wie man es heutzutage von jeder beliebigen Bande von Schlägern oder
Rockern hören kann, denke ich mir -, aber ihre Stimmen kamen wie aus weiter Ferne; im Grunde genommen klangen sie eher traurig als bedrohlich. Der Mann in Jared Devores Kleidung hatte ein wenig Substanz, vielleicht weil er im Leben ein Mann von enormer Vitalität gewesen war, vielleicht weil er erst jüngst das Zeitliche gesegnet hatte, aber die anderen waren wenig mehr als projizierte Bilder.
Ich ging weiter, in die kochende Kälte hinein, in seinen Geruch - denselben Geruch von Verfall, der ihn schon bei unserer ersten Begegnung umgeben hatten.
»Wo wollen Sie hin?« schrie er.
»Einen Spaziergang machen«, sagte ich. »Und dagegen gibt es kein Gesetz. Die Straße ist der Ort, wo gute Schoßhündchen und böse Köter nebeneinander laufen dürfen. Haben Sie selbst gesagt.«
»Sie verstehen nicht«, sagte Max-Jared. »Und das werden Sie nie. Sie sind nicht von dieser Welt. Das war unsere Welt.«
Ich blieb stehen und sah ihn neugierig an. Die Zeit war knapp, ich wollte es hinter mich bringen … aber ich mußte alles wissen, und ich glaubte, daß Devore bereit war, es mir zu erzählen.
»Dann erklären Sie es mir«, sagte ich. »Überzeugen Sie mich davon, daß irgendeine Welt Ihre Welt war.« Ich sah ihn an, dann die flackernden, durchscheinenden Gestalten hinter ihm, Gazefleisch an leuchtenden Knochen. »Sagen Sie mir, was Sie getan haben.«
»Damals war alles anders«, sagte Devore. »Wenn Sie hierher kommen, Noonan, können Sie drei Meilen nach Norden laufen, bis Halo Bay, und nur ein Dutzend Leute auf der Straße sehen. Nach dem Labor Day treffen Sie vielleicht gar keinen mehr. Auf dieser Seite des Sees müssen Sie durch die Büsche gehen, die wild wachsen, um umgestürzte Bäume herum - nach diesem Sturm werden es noch mehr sein -, und möglicherweise sogar um den einen oder anderen toten Baum, weil die Leute aus der Stadt
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