Sara
von Freundlichkeit, Offenheit und Neugier. Anstelle von all dem sah ich eine Art säuerlichen Amüsements, als hätte er alle unangenehmen Verhaltensweisen dieser Welt schon gesehen, die meisten davon zweimal. Eine seiner Brauen war vor langer Zeit einmal aufgeplatzt gewesen, und seine Wangen hatten dieses typische windgerötete Aussehen, das entweder auf gute Gesundheit oder ein inniges Interesse an alkoholischen Erzeugnissen aus Getreide hindeutet. Er sah aus, als könnte er Sie in den Rinnstein prügeln und sich dann auf Sie setzen, damit Sie dort bleiben. Ich bin brav gewesen, Daddy, geh runter von mir, sei nicht böse.
»Machen Sie es mir nicht schwer. Sie werden das annehmen, und wir wissen es beide, also machen Sie es mir nicht schwer.«
»Zeigen Sie mir erst irgendeinen Ausweis.«
Er seufzte, verdrehte die Augen und griff in eine seiner Hemdentaschen. Er holte ein Ledermäppchen heraus und schlug es auf. Ich sah eine Marke und ein Ausweisfoto. Mein neuer Freund war George Footman, Deputy Sheriff von Castle County. Das Foto war ausdruckslos und frei von Schatten, wie Bilder, die ein Opfer eines Überfalls in der Verbrecherkartei zu sehen bekäme.
»Okay?« fragte er.
Ich nahm das fleischfarben umhüllte Dokument, als er es mir wieder anbot. Er stand da und verströmte eine Art von geronnener Heiterkeit, während ich es las. Es war eine Vorladung ins Büro von Elmer Durgin, Rechtsanwalt, am 10. Juli 1998 um zehn Uhr - Freitag, mit anderen Worten. Besagter Elmer Durgin war zum Vormund ad litem von Kyra Elizabeth Devore bestellt worden, einem minderjährigen Kind. Er wollte eine Aussage von mir zu Protokoll nehmen hinsichtlich
des Wohlergehens von Kyra Elizabeth Devore und all dessen, was ich darüber wußte. Diese Aussage würde im Auftrag des Superior Court von Castle County und Richter Noble Rancourt stattfinden. Ein stenografisches Protokoll würde angefertigt werden. Man versicherte mir, daß es sich um eine Maßnahme des Gerichts handelte und weder etwas mit dem Kläger noch der Beklagten zu tun hatte.
Footman sagte: »Es ist meine Aufgabe, Sie an die Strafen zu erinnern, sollten Sie es versäumen -«
»Danke, aber gehen wir einfach davon aus, daß Sie mir alles gesagt haben, okay? Ich werde dasein.« Ich machte eine Geste, als wollte ich sein Auto wegscheuchen. Ich fühlte mich zutiefst abgestoßen … und ich fühlte mich, als hätte man mir einen Knüppel zwischen die Beine geworfen. Ich hatte noch nie eine gerichtliche Zustellung erhalten und war auch nicht sonderlich scharf darauf.
Er ging zu seinem Auto zurück, wollte sich hineinschwingen, verweilte aber mit einem haarigen Arm auf der offenen Tür. Seine Rolex glänzte im dunstigen Sonnenlicht.
»Ich will Ihnen einen Rat geben«, sagte er, und das reichte aus, mir alles andere zu sagen, was ich über den Mann wissen mußte. »Machen Sie Mr. Devore keinen Ärger.«
»Sonst wird er mich zerquetschen wie ein Insekt«, sagte ich.
»Häh?«
»Ihr Text lautet vollständig: ›Ich will Ihnen einen Rat geben - machen Sie Mr. Devore keinen Ärger, sonst wird er Sie zerquetschen wie ein Insekt.‹«
Ich konnte an seinem Gesichtsausdruck - kurz nach verwirrt, auf wütend zugehend - ansehen, daß er etwas Ähnliches hatte hinzufügen wollen. Offenbar hatten wir dieselben Filme gesehen, einschließlich aller, in denen Robert De Niro einen Psychopathen spielt. Dann hellte sich sein Gesicht auf.
»Ach ja, Sie sind der Schriftsteller«, sagte er.
»So sagt man.«
»Sie können so was sagen, weil Sie Schriftsteller sind.«
»Nun, dies ist ein freies Land, oder?«
»Was sind Sie doch für ein Klugscheißer.«
»Wie lange arbeiten Sie schon für Max Devore, Deputy? Und weiß man im Büro des County Sheriffs von Ihrem Nebenjob?«
»Sie wissen es. Das ist kein Problem. Sie sind derjenige, der ein Problem haben könnte. Mr. Klugscheißer-Schriftsteller.«
Ich beschloß, daß es Zeit wurde, dieses Gespräch zu beenden, bevor wir in die Kaka-Pipi-Phase des Anschreiens eintraten.
»Bitte, verlassen Sie meine Einfahrt, Deputy.«
Er sah mich noch einen Moment an und suchte offenbar nach der perfekten schlagfertigen Antwort darauf, fand aber keine. Er hätte einen Mr. Klugscheißer-Schriftsteller gebraucht, der ihm half, das war alles. »Wir sehen uns am Freitag«, sagte er.
»Soll das heißen, Sie wollen mich zum Essen einladen? Keine Bange, ich bin nicht besonders anspruchsvoll.«
Seine rötlichen Wangen wurden eine Spur dunkler, und ich konnte
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