Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
Gänge entlang, als würde er sich genauestens dort auskennen. Ich folgte, bis ich in ein weiteres Zimmer gelangte. Langsam schritt ich hindurch. Wie bei einem Zeitsprung bewegte ich mich durch flirrende Schichten aus Raum, Materie und Zeit. Der junge Mann aus dem Saal stand nun auf dem Balkon des Zimmers. Mit dem Rücken lehnte er an weißen Säulen, die den Erker umrandeten und beugte sich dann zurück. Er sah meinem angeblichen Vater zum verwechseln ähnlich. Hinter mir hörte ich Schritte. Ganz leise. Leichtfüßig zog jemand wie ein zarter Windhauch an mir vorbei.
Das ist doch das Bleichgesicht mit den grünen Augen und den Apfelbäckchen…
Sie gesellte sich mit aufgesetztem Lächeln zu ihm auf den Balkon. Während sie mit ihrem zarten, knochigen Zeigefinger an seinen weißen Hemdrüschen spielte, säuselte ihre Stimme mit vorwurfsvollem Unterton: „Wie konnten sie mich nur unten so einfach alleine stehen lassen? Ich bin entsetzt Christopher…Blasphemie.“
Christopher? Mein Vater?
Ich schluckte. Also doch!? Seine Gesichtszüge waren neutral und beherrscht. Seine enorme Abneigung dieser Frau gegenüber versuchte er gar nicht erst zu verbergen. Jetzt, da er so nah war, jetzt, da ich mir ein Bild machen konnte, spürte ich auf eine mir nicht erklärliche und intensive Weise seine Gefühlsregungen dieser Person gegenüber. Es war keine Verachtung, die er empfand. Es war eher eine Art Ablehnung und Missbilligung, die ich gut nachempfinden konnte. Eine seltsame, verwirrende Verbundenheit bestand zwischen ihm und mir. Er beäugte sie lieblos und erwiderte mit einem aufgesetzt gespielten und freundlichen Lächeln: „ Elisabeth, an mir beißen sie sich die Zähne aus. Ich bin kein Mann, der ihnen den Hof macht wie all die anderen Männer, denen sie hier den Kopf verdrehen.“
Ihre grünen Augen stachen aus ihrem Gesicht hervor und sie presste ihre Hand feste auf seine Brust. Ließ sie dann mit Nachdruck weiter hinunter gleiten und stoppte kurz vor seinem Hosenbund. Christopher ergriff ihr Handgelenk, umschloss es mit festem Griff und drückte es von seinem Körper weg.
„Gehen Sie zurück aufs Fest, Elisabeth.“
Ihre Augen wurden größer und sie zischte wie eine Schlange durch ihre Zähne: „Ihr Herz ist besessen von dieser kleinen Küchenschlampe, mein Lieber. Sie entspricht jedoch bei weitem nicht ihrem Niveau. Eine Frau wie ich gehört an Ihre Seite. Wir würden gemeinsam Großes bewirken. Sie sind Aristokrat und kein billiges Dienstpersonal. Wachen Sie auf, mein Guter!“
Ihre Stimme wurde sofort wieder zuckersüß. Die boshaften und strengen Züge in ihrem Gesicht, wichen einer neuen, aufgesetzten Mimik. Sie ließ sich nicht so leicht abwimmeln, machte einen Schritt auf ihn zu, presste ihr gewaltiges Dekolleté, aus dem ihre Brüste hervor quollen, direkt an seinen Oberkörper und wisperte erregt: „Ich habe immer bekommen was ich wollte. Vergessen Sie dieses kleine Miststück. Ich kann ihnen alles geben, Dinge von denen Sie bisher nur träumen können. Sie wissen nicht, wer ich bin, Christopher. Ich kann Sie zum mächtigsten Mann der Welt machen!“
Die Betonung lag auf seinem Namen. Sie zog ihn mit surrender Stimme in die Länge. Christopher lachte laut auf: „Liebste Elisabeth, sie haben nichts, was ich haben möchte. Und sie vergessen, dass ich nicht käuflich bin. Macht bedeutet mir gar nichts. Ich sage es noch einmal, gehen sie zurück auf das Fest.“
Er schob sie mit seinen Händen von sich und wandte ihr den Rücken zu.
Die hagere Frau presste kurz ihr Kinn zwischen ihre Brüste und riss dann den Kopf hoch. Ihre Lippen glühten seltsam und fleischig rot, als hätte sie just in diesem Augenblick mit Botox nachgeholfen. Sie fletsche wie ein Wolf die Zähne. Ihre Eckzähne vergrößerten sich, schnellten gefährlich und spitz aus ihrem Kiefer. Ich erschrak.
Was war das denn jetzt? Ach du meine Güte. Das kenne ich doch irgendwo her.
Die Iris in ihren Augen verfärbte sich in ein leuchtendes Gelb. Ein bedrohliches, unmenschliches, Knurren drang aus ihrer Kehle: „Du hast es so gewollt.“
Bevor mein sogenannter Vater registrierten konnte, was geschah, schlug sie in einer mir bereits bekannten Schnelligkeit ihre Reißer tief in seinen Hals. Ich hörte mich aufschreien.
Wieso hilft ihm denn keiner?
Doch mich konnte niemand hören. Ich war nur der stille Zuschauer und der heimliche Beobachter. Der Geist, den niemand wahrnahm. Machtlos, ungesehen und erstarrt. Christopher versuchte sich
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