Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
Hand wischte über meinen Mund, er stützte meinen Rücken mit dem Arm ab, bevor er mich sachte in halb sitzender, halb liegender Position in seine Arme schloss.
„Mach die Augen endlich auf, Sarah. Hörst du mich? Du kannst es. Du trägst diese Kraft in dir. Du musst dich von deiner menschlichen Schwäche des Schmerzes lösen.“
Er hatte gut reden. Ich fühlte mich von einer Welle der Ohnmacht erdrückt, atemlos, kraftlos und mit unbändigen Schmerzen in einen dunklen Fluss gerissen, der mich an die Grenze meines Seins brachte.
„Sarah,“ er atmete schwer.
„ Sarah, dein Blut macht mich wahnsinnig, ich halte das nicht mehr lange durch, du musst jetzt die Augen aufmachen. Ich weiß, dass du es kannst. Mach gefälligst die Augen auf, deine Verletzungen beginnen zu heilen. Du musst hierbleiben. Gib jetzt nicht auf. Du bist stark, geh durch den Schmerz, nimm ihn an. Wenn du dich ihm ergibst, dann wirst du sterben. Deine Kräfte sind noch nicht ausgeprägt genug. Ich flehe dich an, mach die Augen auf. Kämpfe! Es tut weh, ja. Den Schmerz kann ich dir nicht nehmen, aber er wird vorbeigehen.“
Ich trieb auf dem Grund des Ozeans, der Himmel hatte sich verschlossen. Ich sah schemenhaft meine Mutter auftauchen, wie ein Geist schwebte sie auf mich zu, im Hintergrund hörte ich Lionels Stimme. Unverständnis, gepaart mit dem Gefühl wahnsinnig zu werden, überflutete meine Sinne. Einen Vorteil hatte dieser Zustand. Der Schmerz hatte nachgelassen und die vielen Bilder meines Lebens zogen langsam wie ein Kinofilm auf Breitband-Leinwand an mir vorbei. Es wurde langsam heller vor meinen Augen. Ich befand mich wieder Erwarten an einem fremden, wunderschönen, friedvollen Ort und blickte auf einen, weißen, schimmernden, mit Kristallen gepflasterten Boden. Von allen Seiten umschloss mich ein weicher Mantel aus warmem und gleißendem Licht. Von irgendwo her hörte ich leise Musik, seltsame, nie gehörte Klänge drangen zu mir. Zarte und liebreizende Töne, von einem fremden Instrument gespielt. Schmerzfrei, sorglos und fast schwerelos schwebte ich durch diesen idyllischen Frieden. Das war also der Weg in die Ewigkeit. Das war also das helle Licht, von dem alle sprachen. Ich hatte nicht gewusst, dass Sterben so schön sein konnte. Ich kam endlich nach Hause. Jemand rief meinen Namen. Erst leise, dann immer lauter. Diese Stimme, sie löste emotionale Verwirrung in mir aus. Mein Gott, Mary, ich hatte sie fast vergessen. Die Farben schienen sofort langsam zu verblassen und die Dunkelheit nahm wieder Besitz von mir.
„Lass mich nicht allein!“
Sie schrie aus Leibeskräften. Das markerschütternde Zittern ihrer Stimme drang in die letzten Fasern meiner Seele und der stechende Schmerz ihrer Trauer riss mich zurück in einen dunklen Tunnel. Blutgeschmack in meinem Mund, Geruch von Moschus und frischem Waldboden, die Schreie der Untoten und wieder diese unerträgliche Schmerzen in meinem Inneren. Mit letzter Kraft öffnete ich leicht die Augen.
Verschwommen erkannte ich die mir so vertrauten Züge ihres Gesichtes. Noch immer blickte ich wie durch ein verschleiertes Fenster und versuchte zu sprechen.
„Schmerzen,“ zu mehr war ich nicht fähig.
„Oh Gott, Sarah. Du musst bei mir bleiben, wer soll denn auf mich aufpassen?“
Lionel legte seine Hand auf meinen Brustkorb.
„Du hast es geschafft, es ist bald vorbei. Dein Schulterblatt war zersplittert und ist in deinen Brustkorb eingedrungen, ich habe es soweit wie möglich wieder gerichtet. Den Rest muss dein Körper mit seinen neuen Kräften selbst heilen. Ich verspreche dir, der Schmerz wird bald nachlassen.“
„Lionel, ich muss Iris helfen, kann ich dich allein lassen mit ihr?“
Marys Schluchzen war einer selbstsicheren Stimme gewichen. Die Krämpfe die meine Organe durchzogen, ließen langsam, sehr langsam nach. Ich hatte meine Augen nur vorsichtig und einen kleinen Spalt geöffnet. Das Schauspiel, das sich vor mir erschloss, verwirrte mich. Mary stand neben einer mir unbekannten, jungen Frau, hielt eine birnenförmige Plastikpumpe in der Hand, wedelte wie wild damit um sich und sprühte irgendeine Flüssigkeit auf die Vampire. Das Bild, das sich mir bot, war mehr als grotesk. Welcher normale Mensch rannte schon durch den Wald und sprühte mit einem Sprüher für Gartenpflanzen um sich?
„Was tut sie da?“
Meine Stimme klang immer noch schwach und gebrechlich. Es war eher ein Krächzen, aber der Altvampir hat ein feines Gehör. Lionel schüttelte den Kopf:
Weitere Kostenlose Bücher