Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
wog gut und gerne 170 Kilo, wobei ich krampfhaft versuchte, nicht auf seinen verloren gegangenen Hals zu starren. Der kräftige Kopf verlor sich irgendwo zwischen seinen Schultern. “Hi, wo ist denn der Chef?“
Er begann zu grinsen, seine dicken Wangen quetschen seine Augen so stark zusammen, dass ich die Iris darin kaum erkennen konnte.
„Ich bin der Chef.“
„Ok, das trifft sich gut. Könnte ich bei ihnen ein paar Liter Blut bekommen?“ fragte ich möglichst lässig.
Er schaute mich von oben bis unten verdutzt an. Dann lachte er laut auf.
„Was willst du? Blut? Sind wir hier in einem Krankenhaus? Ich mache dir gern ein paar Koteletts fertig.“
Ich versuchte ruhig zu bleiben.
„Ich weiß, dass Sie welches verkaufen. Und zwar an ganz bestimmte Personen.“
Seine Blicke wurden plötzlich verdammt wütend.
„Wer erzählt denn so was Verrücktes?“ schnaubte er, wandte sich von mir ab und widmete sich seiner neuen Lieferung.
„ Es gibt jemand, den sie gut kennen, und wenn er nicht umgehend mit Blut versorgt wird, dann haben wir ein großes Problem.“
Einen Moment zögernd, knirscht er durch die Zähne: „Verschwinde hier, sonst mach ich dich einen Kopf kleiner.“
Ich nickte lediglich.
„Am besten werfen Sie mal einen Blick in mein Auto. Ich denke, Sie sollten den Herrn auf der Rückbank kennen. Wenn Sie nicht augenblicklich hier eine Menge Blut anschleppen, dann werde nicht ich, sondern sie einen Kopf kleiner gemacht.“
Der Dicke kniff die Augen zusammen und schien zu überlegen.
Ich wusste gar nicht, dass ich eine solche Wortgewalt besaß.
Er stapfte mit grimmiger Mine an mir vorbei. Seine Fleischmassen warfen schwerfällig riesige Schatten im Neonlicht der großen Markthalle. Am Wagen angekommen, riss er die Türe auf und erstarrte. Das kräftige Rot, das sein Gesicht vorher wie eine glühende Tomate hatte aussehen lassen, verwandelte sich in Sekundenschnelle in französische Blässe und in weinerlichen Ton jammerte er: „Herr, oh mein Herr, was ist mit euch? Wartet, ich komme sofort zurück. Ich eile.“
Hat er jetzt wirklich `Herr` gesagt?
Der Fleischberg setzt sich in Bewegung, die Schwerfälligkeit war augenblicklich aus seinem Körper gewichen. Er jagte mit seinen kurzen, stämmigen Beinen durch die Halle und verschwand hinter einer weißen, mit silbernen Beschlägen verzierten Türe. Ich zuckte mit den Schultern, schon wieder ein Vampir?
Wieso habe ich ihn nicht gleich gespürt?
Eigentlich hätte ich es wissen müssen. Kaum ein Sterblicher würde freiwillig einen Vampir unterstützen. Außer ich natürlich. Schlimm genug! Ich seufze und ärgerte mich über meine Naivität. Der Geruch von totem Fleisch und Kadaver schien es mir schwer zu machen, Gerüche zu identifizieren. Vielleicht war ich auch nur zu stark verletzt worden. Die Sinne, die mein Vater mir hat zukommen lassen, waren wohl auch noch nicht genug ausgeprägt. Auch wenn ich täglich mehr Kraft in mir spürte, war ich noch lange nicht soweit wie Lionel. Apropos Lionel. Wieso nannte der Fleischberg Lionel `Herr`? Mein Gedanke wurde jäh unterbrochen, denn der Dicke preschte in Windeseile wieder herbei und hechelte wedelnd mit einem dunkelroten, gefüllten Schlauch. Schweinedarm! Mir drehte sich der Magen. Der Koloss beugte sich zu Lionel ins Auto und raunte mir zu: „Stell dich hier schräg vor mich. Es muss niemand sehen, was hier geschieht.“
Ich tat, wie er sagte und betrachtete das Szenario mit Argwohn. Er ließ aus dem Ende eines Mastdarms Blut in Lionels leicht geöffneten Mund laufen und murmelte immer wieder: „ Herr, oh mein Herr, trinkt nur, gleich geht es euch besser.“
Das gurgelnde Geräusch, das aus Lionels Kehle stieß, machte es mir nicht leicht, mich nicht gleich auf der Stelle zu übergeben. Im selbigen Moment stieß Mary die Beifahrertüre auf und schlug sie mir mit heftigem Schwung gegen mein Schienbein.
„Es tut mir leid, “ brüllte sie und stolperte zu einer der großen, grauen, Plastikmülltonnen.
Bevor ich mich versah, beuge sie sich über die Öffnung. Der Kopf verschwand komplett in der Tonne und ein lautes Rülpsen und Würgen drang über den Hof.
Ist das widerlich!
Iris verließ den Wagen und lief zu ihr.
„Ich kümmere mich um sie.“
Ich nickte und versuchte den Anblick von Mary zu verdrängen. Die Übelkeit hatte bereits ihr schwarzes Kleid über mich gelegt und ich warf einen Blick auf Lionel. Sein Gesicht nahm langsam wieder Farbe an. Die Adern an seinem Hals
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