Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
pulsierten wieder und seine Hände machten krampfartige Bewegungen. Als der Darmschlauch endlich leer war, zog sich der Fleischklops zurück und verbeugte sich. Ich kniete mich vor die Rückbank, lehnte mich an die geöffnete Türe und legte meine Hand auf seinen Bauch. Lionel atmete ruhig, die letzten Wunden begannen sich zu schließen. Die Falten in seinem Gesicht verschwanden auf wundersame Weise. Seine Lieder öffneten sich. Das stählerne Blau in seinen Augen leuchtete wieder wie eh und je. Unsere Blicke trafen sich. Und da war es wieder, diese zwei funkenden Diamanten, diese Magie, diese Macht, die in mich einfloss. Mit noch schwacher Stimme flüsterte er: „Danke. Ich bin gleich wieder auf den Beinen.“
Dann schlossen sich noch einmal zitternd seine Lider und sein Brustkorb sich im hob und senkte sich im Takt seiner Atemzüge. Ich hörte das Blut durch seine Eingeweide rauschen und wandte mich ab. Iris erste Hilfestellung hatte Wirkung gezeigt, denn keine zehn Minuten später war Marys Kotzattacke beendet und wir konnten den Großmarkt verlassen.
„Wohin fahren wir jetzt?“
Iris blickte mich durch den Rückspiegel fragend an. Ich zuckte mit dem Schultern.
„Wir können ihn nicht mit zu mir nehmen und zu Lionel geht auch nicht, sie würden uns dort sofort finden.“
Mary drehte sich zu mir nach hinten. Ihre Wangen hatten wieder Farbe angenommen und ich schenkte ihr mein aufforderungsvollstes Grinsen, das ich besaß.
„Nein, nein, und noch mal nein, das tust du mir nicht an,“ keifte sie und rückte ihre rote Brille zurecht.
„Hat mal jemand ein Kaugummi für mich?“
Ich schenkte ihr zusätzlich mein zuckersüßestes Lächeln, das ich besaß.
„Mary, wo sollen wir denn sonst hin?“
Sie legte die Stirn in Falten und kräuselte die Nase.
„Aber du lässt mich nicht allein mit ihm.“
Ich nickte dankend.
„Nein, natürlich nicht, wo denkst du hin?“
Lionel hatte die Worte wahrgenommen, der freche Unterton in seiner Stimme zeigte deutlich, dass er wieder ganz der alte war. Er hob den Arm und klopfte Mary auf die Schulter. „Keine Sorge, ich bin vorerst satt.“
Er lehnte an meiner Schulter und ein Lächeln umspielte seine rosigen Lippen.
„Lionel, wärst du so freundlich und rutschst ein wenig rüber, ich denke du kannst wieder alleine sitzen.“
Das Lächeln wich einem gewitzten Grinsen.
„Hey, nochmal danke für deine Hilfe.“
„Wir sind quitt.“
Ein lautes Lachen erschall: „Ja sicher, ich gehe wegen dir bald drauf und dann sind wir quitt. Du bist unverbesserlich.“
Ich konterte: „Weißt du eigentlich wie beschissen du aussiehst, wenn du zu viel Blut verlierst? Das ist schon Zumutung genug, dafür könnte ich Schmerzensgeld verlangen.“
Sein Gesicht wurde sofort wieder ernst und er senkte den Kopf. Mit dem Zeigefinger malte er kleine Kreise auf sein Knie und legte die Stirn in Falten.
„Ja, da hast du wohl Recht. Für mich ist es eine Qual zu wissen, dass du mich so ansehen musstest. Aber es ist der Lauf der Dinge. Ich habe den Fehler gemacht, zu wenig zu trinken. Ich hätte vorbeugen müssen, doch ich wollte dich unbedingt im Stadtwald treffen. Mein Lieferant war schon auf dem Weg zu mir. Wer konnte ahnen, dass sie uns schon so dicht auf den Versen sind und ich mich für dich aufopfern muss.“
Bei seinen letzten Worten suchte er Augenkontakt und zog provokant seine linke Augenbraue in die Höhe.
„Bitte?“
Langsam wurde ich zornig.
„Durch wen bin ich denn in den ganzen Mist hinein geraten? Wer hat mir denn diesen Richard ins Haus gelockt?“
Der Altvampir winkte mit dem Zeigefinger ab.
„Richard hätte dich früher oder später eh gefunden. Wäre ich nicht gekommen an dem Morgen, dann hättest du keine Chance gehabt. Sieh es mal von der positiven Seite. Ohne mich wärst du längst tot.“
Klasse soll ich mich jetzt für seine selbstlose Rettung bedanken?
Jähzorn war etwas, dass ich selten im Leben verspürte, doch in jenem Augenblick flammte er in mir auf, sodass ich Mühe hatte, ihn zu unterdrücken. Ich zwang mich nicht näher darauf einzugehen und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung.
„Wieso nannte dich der Kerl am Großmarkt eigentlich `Herr` und warum wurde er zahm wie ein Lamm als er dich sah?“
Lionel blickte einen Moment gedankenversunken aus dem Fenster. Mit nachdenklichem Gesichtsausdruck und tiefer Stimme sprach er: „Weil ich sein Herr bin. Sarah. Ich bin sehr alt. Ich stamme aus einer anderen Zeit. Bevor dein Vater mich zu
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