Sarah Maclean
dass kleine Geschenke die
Freundschaft erhalten."
Er nahm das Päckchen entgegen. „Das sagen wir in England
auch."
Sie grinste. „Schön, dass manche Dinge überall gleich sind."
„Ich könnte mir denken, dass du in letzter Zeit zu viele Ver-
änderungen erlebt hast."
Sie senkte den Kopf. „Du sagst es." Ihr Blick fiel auf das Ge-
schenk. „Bist du nicht neugierig, was in dem Päckchen ist?"
Gabriel sah auf das Geschenk, das sorgfältig verpackt wor-
den war, um den Inhalt zu schützen, und stellte fest, dass er in
der Tat äußerst neugierig war. Wann hatte er zum letzten Mal
ein Geschenk bekommen? Ein Geschenk von jemandem, der
keine Gegenleistung erwartete? Er sah seine Schwester an und
entdeckte die erwartungsvolle Vorfreude in ihrer Miene - of-
fensichtlich hoffte sie, dass er sich über das, was sich in dem
schlichten braunen Papier verbarg, freuen würde.
Ja. Er war sehr neugierig.
Er machte sich über das Geschenk her, zerrte den Bindfaden
herunter und zerriss das Papier. Dann hielt er die Mozart-Bio-
grafie in Händen, erstaunt von ihrer Aufmerksamkeit. „Woher
wusstest du, dass ich eine große Vorliebe für Mozart hege?"
Sie lächelte. „Ich wohne auch in diesem Haus. Es ist nicht
schwer, deinen Lieblingskomponisten zu erraten."
Ehrfürchtig strich er über den Ledereinband. „Ich fange noch
heute Abend mit dem Buch an." Ernst sah er sie an. „Danke, Ju-
liana."
Sie lächelte ihn schüchtern an. „Gern geschehen. Freut mich,
dass es dir gefällt."
„Ja, sehr."
Er staunte darüber, dass diese junge Frau, die so viel durch-
gemacht hatte, die ohne viel Federlesens in ein fremdes Land zu
fremden Leuten verfrachtet worden war, für ihn ein Geschenk
gekauft hatte.
„Ich habe für dich aber kein Geschenk."
Sie lachte. „Natürlich nicht. Warum auch?" Als er darauf kei-
ne Antwort wusste, fügte sie hinzu: „Wir sind eine Familie. Fa-
milien tun so etwas, oder nicht?"
Er schwieg nachdenklich. Schließlich meinte er: „Eigentlich
habe ich keine Ahnung, was Familien tun. Es liegt lange zurück,
dass ich außer Nick jemanden hatte."
Juliana ließ sich das durch den Kopf gehen. „Ach so. Na dann.
Wollen wir uns darauf einigen, dass Familien so etwas tun? Zu-
mindest unsere Familie?"
„Das klingt nach einer ausgezeichneten Idee."
Juliana klatschte in die Hände und grinste breit. „Wunder-
voll!" Beiläufig fügte sie hinzu: „Weißt du eigentlich, dass ich
mir immer einen Bruder gewünscht habe, der mich verwöhnt?"
Er lachte über ihre gespielte Unschuld. „Wirklich? Dürfte
ich vorschlagen, dass du diesen speziellen Wunsch mit Nick be-
sprichst?"
Sie riss die Augen auf und brach in Gelächter aus. „Das halte
ich für einen ausgezeichneten Plan!" Sie senkte die Stimme zu
einem verschwörerischen Flüstern. „Meinst du, dass er sich als
sehr extravagant erweisen wird?"
„Man kann immer auf das Beste hoffen."
„Das kann man allerdings!"
Einvernehmliches Schweigen senkte sich auf sie herab. Ju-
liana sah zu, wie Gabriel in dem neuen Buch blätterte. Schließ-
lich sah er auf und fragte: „Wann hast du denn die Zeit gefun-
den, das hier zu kaufen?"
Juliana wedelte mit der Hand und sagte: „Vor ein paar Wo-
chen waren Callie, Mariana und ich in der Bond Street und ha-
ben dort einen Buchladen entdeckt - das Buch wurde sehr emp-
fohlen - und Callie schien zu glauben, dass du dich darüber
freuen würdest."
Er erstarrte, als er Callies Namen hörte. „Ach ja?"
Juliana nickte. „Ich finde, bei ihr bekommt man immer her-
vorragende Ratschläge." Als er nur in seinem Sessel herum-
rutschte und schwieg, sah sie ihn aus zusammengekniffenen
Augen an. „Du siehst aus, als hättest du ein schlechtes Gewis-
sen, Bruderherz."
Gabriel wandte den Blick ab und schaute angelegentlich auf
den Kandelaber, den er vorhin in ihrer Nähe abgestellt hatte.
„Ich habe heute alles getan, um sie vor den Kopf zu stoßen. Ich
glaube, im Moment ist sie recht... ärgerlich auf mich."
„Ah", sagte sie. Ihr Ton war neckend. „Du willst sagen, dass
Monsieur Latuffe heute Nachmittage nicht der einzige idiota
im Raum war."
Um Raistons Mund zuckte es reuig. „Nein, anscheinend
nicht." Er entspannte sich wieder. „Weißt du, ich glaube nicht,
dass jemand je so mit mir geredet hat."
Ein Lächeln blitzte auf. „Du brauchst wohl schon lange eine
Schwester."
Das ließ er sich durch den Kopf gehen. „Ich glaube fast, dass
du recht
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