Sarah Maclean
halten Sie davon?"
Callie betrachtete das Bild, ein recht vorteilhaftes Porträt des
Königs, und meinte: „König George war damit sicher ziemlich
zufrieden."
Oxford lachte. „Sehr diplomatisch von Ihnen."
Callie lachte ebenfalls und betrachtete ihn. Gewiss, er war
ein Dandy und reichlich fade, aber er hatte offenbar Sinn für
Humor und war nicht unbedingt hässlich. Überrascht stellte sie
fest, dass sie den Nachmittag genoss.
Oxford beugte sich noch weiter vor. „Ich hatte gehofft, dass
wir Gelegenheit bekämen, uns von Ihrer Schwester und Riving-
ton abzusondern."
Sie hob die Augenbrauen. „Mylord?"
„Ich weiß", sagte er, missverstand ihre Zurückhaltung. „Es ist
kaum zu glauben, dass dies geschieht." Mit einem Finger strich
er ihr diskret über den Oberarm, sein Lächeln wurde noch brei-
ter, und er beugte sich erneut vor zu ihr. „Aber es passiert tat-
sächlich, Lady Calpurnia."
„Lord Oxford", sagte sie rasch und suchte nach einer Ablen-
kung, um ihnen beiden Peinlichkeiten zu ersparen. „Ich dachte,
wir wollten die Renaissancegemälde suchen gehen? Hier sehe
ich sie nicht."
„Vielleicht sollten wir sie in einer ruhigeren, abgeschiedene-
ren Örtlichkeit suchen?", sagte er leise. Roch sein Atem etwa
nach Whisky?
Callie meinte ausweichend: „Vielleicht hängen sie ja inzwi-
schen wieder im Hauptausstellungsraum."
Er überlegte. „Ich verstehe. Sie befürchten, dass man uns be-
obachten könnte."
Sie hielt sich an den Worten fest. „Allerdings, genau das be-
fürchte ich."
Verständnisvoll ließ er die Zähne aufblitzen. „Natürlich. Ge-
hen wir in den Hauptausstellungsraum zurück."
Wer hätte gedacht, dass Oxford so verständnisvoll sein kann?
Callie war so überrascht von diesem Taktikwechsel, dass sie
ihn ebenfalls mit einem wunderschönen Lächeln bedachte. Sie
gingen zurück in den Hauptraum, zurück ins Gedränge. Sobald
sie wieder im Menschengetümmel standen und von allen Sei-
ten bedrängt wurden, war es für Callie unmöglich, nicht gegen
Oxford gedrückt zu werden, und dabei spürte sie, wie er ihr
mit einer Hand über die Kehrseite strich. Sie zuckte zurück
vor dieser allzu vertraulichen Berührung und sagte, die Hand
an der Kehle: „Ich fühle mich wie ausgedorrt. Ob Sie mir wohl
etwas Limonade holen könnten, während ich meine Schwester
suche?"
Oxford kniff die Augen auf eine Weise zusammen, die wohl
Sorge signalisieren sollte, und sagte: „Aber natürlich."
„Oh, danke, Mylord", erwiderte sie in einem Versuch, kokett
zu sein.
Sie beobachtete, wie er sich abwandte und in der Menge ver-
schwand. Langsam stieß sie die Luft aus. Dieser ganze Nach-
mittag war ein Fehler gewesen.
„Wie ich sehe, frisst Oxford Ihnen schon aus der Hand." Die
trockene Bemerkung, so nah an ihrem Ohr geraunt, ließ sie zu-
sammenzucken.
Sie zwang sich zur Ruhe und drehte sich zu dem Sprecher um.
„Lord Ralston. Was für eine Überraschung", sagte sie. Ihr Ton
strafte ihre Bemerkung Lügen. Plötzlich war sie sehr müde. Sie
hatte die Wortgefechte mit Ralston satt, hatte es satt, Oxford zu
überlisten, hatte es satt, hier unter Londons Reichen und Schö-
nen zu stehen. Sie wollte nach Hause.
„Lady Calpurnia." Ralston verneigte sich. „Ich hatte gehofft,
Sie hier anzutreffen."
Die Worte und die logische Schlussfolgerung, dass er sie von
sich aus sehen wollte, hätte sie vor einigen Monaten noch in
Hochstimmung versetzt. An diesem Tag jedoch wünschte sie
sich nichts mehr, als einfach auf dem Absatz kehrtzumachen
und davonzulaufen. In seine blauen Augen zu sehen erinnerte
sie nur an den Schmerz und die Verlegenheit, die er ihr bei ih-
rer letzten Begegnung bereitet hatte. Bei der Vorstellung, sich
noch einmal mit ihm zu unterhalten, nachdem sie wusste, dass
sie wenig mehr war als eine Schachfigur in einem Spiel, das sie
nicht recht verstand, zog sich ihr Herz zusammen.
Sie konnte sich jetzt nicht höflich und zuvorkommend geben.
„So ganz entspricht das wohl nicht der Wahrheit, da bin ich mir
sicher. Und Sie wussten, dass Sie mich hier antreffen würden.
Sie waren doch dabei, als Oxford mich eingeladen hat."
„Allerdings, das war ich." Er legte den Kopf schief, als wollte
er ihr in diesem Wortgefecht einen Punkt zugestehen. „Ich habe
dennoch gehofft, Sie heute Nachmittag zu treffen. Obwohl ich
zugeben muss, dass ich es ziemlich entmutigend fand, als ich
gesehen habe, wie Sie Oxford angelächelt haben, als wäre er
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