Sarah Maclean
hohe Wangenknochen, ein
herrlicher Teint, schwarz geschminkte Augen, üppige rote Lip-
pen, die einem wissenden Lächeln verzogen waren. Callie konn-
te den Blick nicht von ihr wenden - genau wie die Männer im
Raum -, denn es war offensichtlich, dass die Frau eine Kurtisa-
ne war.
Sie trug ein Kleid, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt
war - ein kühnes saphirblaues Seidengewand mit engem Ober-
teil, das eher wie ein Schnürmieder aussah. Die Brüste quollen
beinahe über den Rand des Dekolletes, als sie sich über einen
der Männer beugte. Callie hielt den Atem an, als der die Hand
ausstreckte und die Brust an einer Seite liebkoste, wobei er die
weiblichen Reize der Frau fixierte. Sie lachte leise bei der Be-
rührimg, umfasste kühn die Hand des Mannes und zeigte ihm,
wie sie von ihm gestreichelt werden wollte. Er befolgte ihre An-
weisungen, und dann griff ein anderer Mann nach dem Saum
ihres Kurtisanenkleides und hob ihn an, Stück für Stück, ent-
blößte erst lange Beine und schließlich ihren runden Hintern.
Dann begann er die Kehrseite der Frau zu streicheln. Callie
keuchte auf.
Das Keuchen verwandelte sich in ein leises Quietschen, als
Ralston sie am Arm packte und sie von der Stelle wegzog, an
der sie wie festgewurzelt gestanden hatte. Er knurrte ihr leise
ins Ohr: „Genau deswegen haben Frauen keinen Zutritt zu Her-
renclubs."
„Für diesen speziellen Raum scheint das aber nicht zu gel-
ten", erwiderte sie scharfzüngig.
Er antwortete nicht, führte sie stattdessen zur nächsten offen
stehenden Tür, schob sie in den Raum und schloss und verrie-
gelte die Tür hinter ihnen. Als sie das ominöse Klicken hörte,
fuhr sie zu Ralston herum, der sie von der Tür aus wütend an-
funkelte.
„Habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt? Du solltest
dicht bei mir bleiben und niemanden ansehen."
„Habe ich doch auch gar nicht gemacht!"
„Dann hast du also nicht gerade in ein Zimmer voller Leute
hineingeschaut?"
„So viele waren nun auch nicht drin", wich Callie aus. Sein
Blick wurde schmal. „Es ist ja nicht so, als hätten sie mich ge-
sehen!"
„Sie hätten dich aber sehen können!"
„Die hatten doch Wichtigeres zu tun", erklärte sie. „Vielleicht
könntest du mir etwas erklären?"
Sein Blick wurde vorsichtig. „Vielleicht."
„Wie kann es sein, dass eine Frau ... ausreichend ist ... für
drei Männer?"
Ralston hob den Blick zur Decke und stieß ein ersticktes Ge-
räusch aus. Dann sah er sie an. „Ich weiß es nicht."
Sie warf ihm einen ungläubigen Blick zu. „Sie ist wohl eine
sehr talentierte Kurtisane."
Er fuhr sich durch die Haare und sagte mit belegter Stimme:
„Callie."
Unschuldig fuhr sie fort: „Nun, das muss sie wohl sein, oder
nicht?"
„Ja."
„Wie faszinierend." Sie lächelte strahlend. „Mir ist bisher
noch nie eine Kurtisane begegnet, weißt du."
„Das habe ich mir fast gedacht."
„Sie hat genauso ausgesehen, wie ich es mir immer vorge-
stellt habe! Nun ja, sie war ein gutes Stück hübscher."
Raistons Blick huschte durchs Zimmer, als suchte er nach
dem schnellsten Fluchtweg. „Callie. Möchtest du nicht lieber
spielen, als über Kurtisanen zu sprechen?"
Sie legte den Kopf schief und überlegte. „Ich weiß nicht ...
beides ist die Zeit wert, findest du nicht?"
„Nein", sagte er mit überraschtem Lachen, „finde ich nicht."
Sie ignorierte ihn und sah sich im Raum um. Er war mit grie-
chischen Friesen geschmückt, auf denen sich diverse Gottheiten
tummelten, und mit einem großen Spieltisch und diversen Stüh-
len ausgestattet. Auf einer Seite des Raums standen vor dem Ka-
min, in dem ein lustiges Feuer prasselte, zwei Sessel und eine
Chaiselongue. An den Wänden, an denen keine riesigen Marmor-
statuen standen, zogen sich Bücherregale entlang. Es war ein ge-
mütliches, allerdings ziemlich maskulines Zimmer.
Sie drehte sich wieder zu Ralston um. „Werden sich die an-
deren nicht wundern, dass wir uns hier in diesem Raum ver-
schanzen?"
Ralston legte Hut und Handschuhe ab und warf sie auf ein
Tischchen neben der Tür. „Das möchte ich bezweifeln. Um die-
se Uhrzeit sind die Männer meist vollauf beschäftigt mit den ...
Dingen, die sie sich für den Abend vorgenommen haben."
„Mit den Dingen", wiederholte sie trocken und legte eben-
falls Hut und Handschuhe ab. Dann zog sie den Mantel aus
und hängte ihn an einen Haken. Nachdem sie sich Ralston wie-
der zugewandt hatte, sah sie,
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