Sarah Maclean
dass er sie scharf musterte. „Du
bist doch nicht etwa immer noch wütend auf mich, oder? Wir
sind ohne Schwierigkeiten hier hereingekommen. Niemand da
draußen weiß, dass ich hier bin."
Ein langer Moment verstrich, währenddessen er ihre Klei-
dung gründlich musterte. Er schüttelte den Kopf. „Ich finde es
einfach unfassbar, dass im ganzen Club niemand bemerkt hat,
dass du genauso wenig ein Mann bist wie eine Giraffe."
Ihr Mundwinkel hob sich. „Wenn ich eine Giraffe wäre, wäre
es ihnen bestimmt aufgefallen, könnte ich mir vorstellen. Und
warum sagst du das? Findest du meine Verkleidung etwa nicht
gelungen?" Sie sah an sich herunter, plötzlich unsicher gewor-
den. „Ich weiß, ich habe ziemlich ... viel Figur, aber ich dachte,
ich hätte sie versteckt... na ja, so gut es geht."
Mit tiefer, dunkler Stimme erwiderte er: „Callie, da bräuchte
es schon einen Blinden, damit er in diesen Kleidern deine Figur
nicht bemerkt. In meinem Bekanntenkreis gibt es keinen Mann,
der ein so hübsches ..."
„Das reicht, mein Bester", unterbrach sie ihn geziert, als stün-
de sie nicht in Herrenkleidern und in Begleitung eines der be-
rüchtigtsten Lebemänner in Brooks's Herrenclub. „Es ist schon
spät. Ich würde jetzt gern das Glücksspiel erlernen, wenn es dir
nichts ausmacht."
Er grinste nur ein wenig selbstgefällig, zog einen Stuhl he-
raus und wies sie an, am Kartentisch Platz zu nehmen. Sie ließ
sich auf dem angebotenen Stuhl nieder, war sich dabei sei-
ner Nähe nur zu sehr bewusst. Nachdem er sich ihr gegenüber
hingesetzt hatte, hob er das Kartenspiel, das dort bereitgele-
gen hatte, und sagte: „Ich glaube, wir sollten mit vingt-et-un
anfangen."
Dann erklärte er die Spielregeln - dass das Ziel des Spiels
darin bestand, mit ihren Karten einundzwanzig Punkte zu er-
reichen beziehungsweise an diesen Wert so nahe wie möglich
heranzureichen, ohne ihn zu überschreiten. Sie spielten mehre-
re Runden. Erst ließ Ralston sie gewinnen, doch dann schlug er
sie vernichtend. Beim fünften Spiel war sie ganz aufgeregt, weil
sie zwanzig Punkte beisammen hatte, doch dann deckte er seine
einundzwanzig Punkte auf.
Verärgert, weil sie schon wieder verloren hatte, platzte Callie
heraus: „Du hast geschummelt!"
Er sah sie an und riss in gespielter Empörung die Augen auf.
„Wie bitte? Wenn du ein Mann wärest, würde ich dich deswegen
fordern!"
„Und ich versichere dir, dass ich das Duell gewinnen würde,
denn ich ziehe einher für die Wahrheit in Sanftmut und Ge-
rechtigkeit."
Er lachte und mischte die Karten neu. „Zitierst du jetzt schon
aus der Bibel?"
„Allerdings", sagte sie züchtig, ein Bild der Frömmigkeit.
„Beim Glücksspiel."
„Welchen besseren Ort gäbe es, um jemanden wie dich auf
den rechten Weg zurückzubringen?", fragte sie mit schelmisch
funkelndem Blick. Sie tauschten ein Lächeln, und dann gab er
die Karten aus. Nüchtern fuhr sie fort: „Es wäre jedoch recht
praktisch, wenn du mich fordern würdest. Ich möchte gern zu
einem Duell gehen."
Er erstarrte einen Augenblick und gab sich dann mit einem
Kopfschütteln geschlagen. „Natürlich willst du zu einem Duell
gehen. Gibt es auf dieser Liste eigentlich irgendetwas, was mich
nicht schockieren würde?"
Sie schaute ihre Karten an und sagte: „Oh, ganz bestimmt
nicht."
„Nun, nachdem es ja anscheinend meine spezielle Aufgabe
geworden ist, dir beim Abarbeiten deiner Liste zu helfen, muss
ich doch nachfragen ... wie gefällt dir denn dein jetziges Aben-
teuer?"
Sie krauste die Nase und dachte nach. „Der Club ist ziem-
lich bemerkenswert. Ohne dich hätte ich dieses Erlebnis ganz
bestimmt nicht gehabt, Gabriel. Aber ich muss sagen, dass ich
nicht recht verstehe, was am Spielen so aufregend sein soll. Gut,
es ist ein netter Zeitvertreib, aber mir ist einfach nicht klar, was
andere am Glücksspiel finden, dass so viele im Schuldgefängnis
landen."
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und beobachtete sie
genau. „Du kannst es nicht verstehen, meine Schöne, weil du
nichts riskierst."
„Ich soll etwas riskieren?"
„Ja", sagte er. „Der Reiz des Glücksspiels beruht zu einem
großen Teil auf dem Nervenkitzel, den man beim Gewinnen ver-
spürt, und der Angst vor dem Verlieren."
Sie ließ sich das durch den Kopf gehen und nickte dann nach-
denklich. „Sollen wir demnach um Geld spielen?"
Er nickte. „Wenn du möchtest."
Doch sie überlegte es sich noch einmal
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