Sarah Maclean
der
passende Turban. Sie sieht aus wie eine pelzige Banane."
Callie verzog das Gesicht, als sie sich das vorzustellen ver-
suchte. „Das gehört eben zu ihrem Reiz."
„Ein Wunder, dass Rivington mir einen Heiratsantrag ge-
macht hat."
Der trockene Kommentar entlockte Callie ein Lächeln. „Viel
Spaß heute Abend."
Mariana umarmte ihre Schwester kurz. „Du bist diejenige,
die Spaß haben wird. Ich werde den ganzen Abend an dich den-
ken. Morgen will ich alles erfahren! Versprich mir das!"
„Ich verspreche es dir."
Mariana stand auf, strich ihre Röcke glatt und tat einen auf-
geregten Hüpfer in Callies Richtung, ehe sie sich verabschie-
dete. Callie folgte ihr zur Tür und presste das Ohr dagegen, um
zu lauschen, wie die Familie das Haus verließ. Dann eilte sie
ans Fenster, um dort auf das Hufgetrappel und das Geratter
der Kutsche zu warten, die bewiesen, dass die anderen wirklich
zum Ball aufgebrochen waren. Als sie nichts mehr hörte, wand-
te sie sich vom Fenster ab und rief nach Anne.
Sie hatte vor Raistons Eintreffen noch so viel zu tun.
Zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit stahl Callie sich
durch den dunklen Garten zu dem Tor in der Mauer am an-
deren Ende. Sie schob den Riegel auf und zog das Tor auf. Es
quietschte laut in den Angeln. „Verdammt", sagte sie irritiert.
Musste in diesem Haus denn jede Tür geölt werden?
Dank Mariana hatte Callie jedoch damit gerechnet, dass sie
das Ölkännchen vielleicht brauchen würde, das Michael ihr
vorhin gebracht hatte - ohne ihr auch nur eine Frage nach dem
Warum zu stellen, der Gute - und war nun gewappnet. Sie hob
das Kännchen, ließ etwas Öl in das Scharnier laufen, schwenkte
die Tür hin und her, um das misstönende Kreischen zu unter-
binden. Als sie mit dem oberen Scharnier fertig war, widmete
sie sich dem unteren.
Sie war so in ihre Arbeit vertieft, dass sie gar nicht bemerkte,
wie Ralston näher kam.
„Na, hier haben wir mal einen vielseitig begabten Gentle-
man", sagte er trocken. Überrascht fuhr sie zusammen. Sie
sah von unten zu ihm auf, lächelte und träufelte noch ein paar
Tröpfchen Öl in die Türangel. Er streifte die Handschuhe ab,
ging neben ihr in die Hocke und nahm ihr das Ölkännchen ab.
„Ich muss schon sagen, von all den Stelldicheins in einem Le-
ben ist dies das erste, bei dem quietschende Scharniere geölt
werden müssen."
Sie lächelte. „Ich konnte doch nicht riskieren, dass meine Fa-
milie mich erwischt, falls ich später als sie nach Hause kommen
sollte."
Er nickte, was in der Dunkelheit kaum wahrnehmbar war.
„Eine kluge Vorsichtsmaßnahme." Er beendete seine Aufgabe,
stellte das Ölkännchen beiseite und holte ein Taschentuch he-
raus, mit dem er sich die Hände reinigte. Danach reichte er es
an sie weiter. Im Aufstehen gab er ihr die Hand, um auch ihr
aufzuhelfen. Er trat einen Schritt zurück, um ihre Verkleidung
zu begutachten. Zwar konnte man es bei dem spärlichen Licht
nicht genau erkennen, aber er sah, dass sie schwarze Abend-
garderobe trug, was für Brooks's äußerst angemessen war. Ihre
Stiefel glänzten im Mondlicht, das weiße Hemd, die weiße Weste
und das perfekt gestärkte Krawattentuch hoben sich strahlend
von dem dunklen Überrock und der dunklen Hose ab. Anne ent-
wickelte allmählich Übung darin, ihre Herrin mit Männerklei-
dung auszustaffieren. Zur Vervollkommnung ihrer Erscheinung
war Callies Haar unter einem schwarzen Kastorhut verborgen.
Schwungvoll schwenkte sie ihren Stock und fragte leise: „Na,
wie findest du es?"
„Auch wenn du für einen Herrn ein wenig klein geraten bist,
wirst du schon durchgehen. Vorausgesetzt, bei Brooks's ist es ge-
nauso dunkel wie hier. In eurem Garten. Mitten in der Nacht."
Er presste die Lippen zusammen und schüttelte dann den Kopf.
„Man müsste schon ein ziemlicher Narr sein, um nicht zu mer-
ken, dass du eine Frau bist. Das wird eine Katastrophe geben."
Ralston zog die Handschuhe wieder an und steuerte auf seine
Kutsche zu. Sie folgte ihm und meinte: „Im Fechtclub hast du
doch auch nicht gemerkt, dass ich eine Frau bin."
Er knurrte unverbindlich.
„Ich habe schon oft festgestellt, dass die Leute nur das sehen,
was sie erwarten, nicht das, was wirklich da ist."
Er öffnete den Schlag der Kutsche und half ihr in das dunkle
Innere hinauf. Als sie über die Polster rutschte, um Platz für ihn
zu machen, hätte sie schwören können, dass sie ihn hatte sagen
hören: „Das war ein
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