Sarah Maclean
letzten Stunde an-
gerichtet hatte. In der Bibliothek herrschte ein einziges Durch-
einander. Überall lagen Bücher - auf Tischen und Stühlen und
in unordentlichen Haufen auf dem Boden.
Nach der in steinernem Schweigen verbrachten Heimfahrt
vor wenigen Stunden war Callie ins Haus und auf ihr Zimmer
zurückgeschlichen, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch,
ins Bett zu kriechen und niemals wieder aufzustehen, und dem
ebenso starken Verlangen, Ralston House sofort aufzusuchen,
den Hausherrn aufzuwecken und ihm genau zu sagen, wohin
er sich seinen großzügigen, ritterlichen Heiratsantrag stecken
könnte.
Mehrere Stunden lang versuchte sie es mit Ersterem ... spiel-
te dabei im Kopf die Ereignisse des Abends immer wieder
durch - und schwankte zwischen Tränen und Zorn darüber, wie
gründlich er diesen so bemerkenswerten Abend zerstört hatte.
Er hatte ihr gezeigt, wie unglaublich Leidenschaft sein konnte,
sie hatte eine erste Ahnung von Ekstase bekommen, und dann
war er hingegangen und hatte alles verdorben. Und hatte sie
mit der Nase darauf gestoßen, dass sie für die Leidenschaft
nicht gemacht war - kurz nachdem sie sie zum ersten Mal hatte
schmecken dürfen.
Nein, Ralston hatte nicht etwa eine ganze Reihe von wun-
derbaren Bemerkungen gemacht, die in ihrer Situation möglich
und angemessen gewesen wären - etwa: Von allen Frauen, die
ich je kennengelernt habe, bist du die unvergleichlichste, oder: Wie könnte ich ohne dich leben, nachdem ich in deinen Armen
das Paradies gefunden habe, bis hin zu: Ich liebe dich, Callie, mehr als ich mir je hätte träumen lassen. Wollen wir noch einmal? -, nein, stattdessen hatte er alles ruiniert, indem er hingegangen war und sich entschuldigt hatte.
Und, schlimmer noch, eine Heirat erwähnt hatte.
Nicht dass es vollkommen verkehrt gewesen wäre, in dieser
Situation eine Ehe zu erwähnen. Sie hätte es sogar begrüßt,
wenn er so etwas gleich nach Von allen Frauen, die ich je ken-
nengelernt habe, bist du die unvergleichlichste und vielleicht
vor Wie könnte ich ohne dich leben, nachdem ich in deinen Ar-
men das Paradies gefunden habe getan hätte. Denn wie wun-
derbar wäre es gewesen, wenn er ihr anbetend in die Augen
gesehen und gesagt hätte: Mach mich zum glücklichsten, zu-
friedensten, beseeltesten Mann der Welt, Callie. Heirate mich.
Wenn er das gesagt hätte - oder etwas Vergleichbares, auf den
genauen Wortlaut wäre es ihr nicht angekommen, da war sie
großzügig -, wäre sie ihm selig in die Arme gefallen und hätte
sich von ihm auf dem Heimweg bis zur Bewusstlosigkeit küssen
lassen. Und jetzt läge sie immer noch im Bett und würde von
einem langen, glücklichen Leben als Marchioness of Ralston
träumen.
Stattdessen stand sie hier, um halb zehn Uhr früh, am Morgen
nach dem Abend, welcher der glücklichste ihres Lebens hätte
sein sollen - aller Abende, auch der zukünftigen - und räumte
die Bibliothek um.
Die Hände in die Hüften gestemmt, nickte sie entschieden.
„Das kann ich genauso gut jetzt erledigen."
Na ja. Wenigstens hatte sie nicht geweint.
Sie nieste. Als Erstes würde sie abstauben müssen.
Entschlossen marschierte sie zur Tür und riss sie auf, um ei-
nen Lakaien anzuweisen, ihr einen Federwisch zu bringen. Im
selben Moment entdeckte sie Mariana und Anne, die mit einem
Dienstmädchen auf der anderen Seite des Flurs standen und
die Köpfe zusammensteckten.
Die drei schreckten auf, als sie die Tür gehen hörten. Callie
bemerkte, dass ihre Zofe bei ihrem Anblick nach Luft schnapp-
te. Callie sagte zu dem Dienstmädchen: „Ich brauche einen
Staubwedel." Das Mädchen sah sie völlig verblüfft an, als hätte
es den Satz nicht verstanden. Callie versuchte es noch einmal.
„Um abzustauben. Die Bücher. In der Bibliothek." Das Mäd-
chen stand wie festgewurzelt. Callie seufzte. „Ich möchte gern
heute noch in der Bibliothek abstauben ... meinen Sie, das wäre
möglich?"
Bei der Frage setzte sich das Mädchen endlich in Bewegung
und eilte den Flur entlang, um den Befehl auszuführen. Callie
fixierte Mariana und Anne mit einem strengen Blick. Zumin-
dest sind sie so vernünftig, keinen Kommentar abzugeben.
„Ach je", sagte Mariana, „anscheinend ist es noch schlimmer,
als wir dachten."
Callie warf ihrer Schwester einen Blick zu, der Bände sprach.
Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und ging in die Biblio-
thek zurück, um die langwierige Aufgabe in Angriff zu nehmen,
all die
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