Sarah Maclean
ungeordneten Bücherhaufen in alphabetischer Reihen-
folge zu sortieren. Von ihrem Platz auf dem Boden sah Callie,
dass Mariana und Anne ihr in den Raum gefolgt waren. Anne
baute sich resolut neben der geschlossenen Tür auf, während
Mariana sich vorsichtig auf einer Sessellehne niederließ.
Mehrere Minuten lang beobachteten sie schweigend, wie Cal-
lie Bücher von den Stapeln nahm. Schließlich brach Mariana
das Schweigen. „Bei welchem Buchstaben bist du?"
Callie sah inmitten der Bücherhaufen zu ihrer Schwester auf
und sagte natürlich: „A."
Mariana beugte sich vor, um einen Bücherstapel zu ihren Fü-
ßen zu begutachten. Geschickt nahm sie eines herunter, lächelte
selbstzufrieden und meinte: „Alighieri. Inferno."
Callie wandte sich wieder ihren Stapeln zu. „Das ist Dante.
Der wird unter D einsortiert."
„Wirklich?" Mariana krauste die Nase. „Das kommt mir aber
merkwürdig vor. Der Nachname fängt doch mit einem A an."
„Michelangelos Nachname fängt mit einen B an, trotzdem
ordnen wir ihn bei M ein."
„Hmm", meinte Mariana und tat interessiert an diesem The-
ma. „Muss an den Italienern liegen." Sie hielt kurz inne, als das
Dienstmädchen anklopfte und mit einem Staubwedel herein-
kam. Sobald das Mädchen wieder weg und die Tür geschlossen
war, fuhr Mariana abwesend fort: „Ich frage mich, ob Juliana
unter J oder unter F einsortiert werden würde."
Bei der Erwähnung von Raistons Schwester versteifte Callie
sich, dann machte sie sich mit ihrem Staubwedel an die Arbeit.
„Keine Ahnimg. J vermutlich."
Anne mischte sich ein. „Schade, dass sie keine St. John ist.
Der Buchstabe S hat mir schon immer gut gefallen."
Mariana nickte. „Ganz meine Meinung."
Callie fuhr zu Mariana herum. „Was wollt ihr zwei eigent-
lich?"
„Was ist letzte Nacht geschehen?"
Callie sah auf das Regalfach, das sie gerade einräumte.
„Nichts weiter."
„Nein?"
„Nein."
„Warum räumst du dann die Bibliothek um?", erkundigte
sich Mariana.
Callie zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Ich habe
heute nichts weiter zu tun."
„Und da fällt dir nichts Besseres ein, als die Bibliothek um-
zuräumen."
Callie fragte sich, wie schwierig es wohl sein würde, ihre
Schwester zu erwürgen.
„Eine Tätigkeit, der Sie sich immer dann widmen, wenn Sie
sich ablenken wollen?"
Und ihre Zofe.
Mariana stand auf und lehnte sich an das Regal, an dem Cal-
lie gerade arbeitete. „Du hast versprochen, dass du mir alles
erzählst, weißt du noch?"
Callie zuckte mit den Schultern. „Es gibt nichts zu erzählen."
In diesem Augenblick klopfte es an die Tür. Die drei Frau-
en wandten sich zum Butler um, der sich tapfer bemühte, das
Chaos zu übersehen, das in der sonst so makellos aufgeräumten
Bibliothek ausgebrochen war.
Er trat ein und machte die Tür hinter sich energisch zu, als
wollte er sie vom Flur abschirmen. „Mylady, Lord Ralston ist
hier. Er bittet um ein Gespräch."
Mariana und Anne tauschten einen erstaunten Blick. Dann
wandte Mariana sich an Callie und betrachtete sie süffisant.
„Ach ja?"
Callie bedachte ihre Schwester mit einem Augenrollen und
wandte sich an den Butler. „Danke, Davis. Sagen Sie dem Mar-
quess bitte, dass ich nicht zu Hause bin. Er kann es später er-
neut versuchen, falls es ihn nicht stört, eventuell noch einmal
unverrichteter Dinge abziehen zu müssen."
„Sehr wohl, Mylady." Der Butler verbeugte sich und verließ
den Raum.
Callie schloss die Augen, atmete zittrig ein und versuchte sich
zu beruhigen. Mariana und Anne standen Schulter an Schul-
ter und betrachteten sie aufmerksam. Anne sagte: „Es gibt also
nichts zu erzählen, hmmm?"
„Nein", erwiderte Callie, verzweifelt bemüht, ihre Stimme
ruhig klingen zu lassen.
„Du bist eine schlechte Lügnerin", beobachtete Mariana
beiläufig. „Man kann nur hoffen, dass Davis das besser hinbe-
kommt als du."
Fast noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte, ging die Tür
zur Bibliothek auf, und der alternde Butler kehrte zurück.
„Ist er weg?", fragte Callie ihn.
„Ähm. Nein, Mylady. Er sagte, dass er auf Ihre Rückkehr war-
ten wolle."
Mariana blieb der Mund offen stehen. „Wirklich?"
Davis nickte in Richtung der jüngeren Hartwell-Schwester.
„Jawohl, Mylady."
Mariana lächelte Callie strahlend an. „Na, das scheint sich
doch noch zu einem richtigen Abenteuer zu entwickeln."
„Ach, halt doch den Mund." Zum Butler gewandt, sagte Cal-
lie: „Davis, Sie
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