Sarah Maclean
wirklich
bin. Entgegen deiner Annahme habe ich tatsächlich jeder Frau,
die ich entjungfert habe, einen Heiratsantrag gemacht. Näm-
lich genau einer."
Errötend wandte Callie den Blick ab und biss sich auf die
Unterlippe. Die Situation regte ihn offensichtlich auf, und das
tat ihr leid. Aber er konnte sich unmöglich mehr aufregen, als
sie selbst es tat. Sie hatte einen herrlichen Abend in den Armen
des einzigen Mannes verbracht, den sie je gewollt hatte, und
er hatte ihr - aus irgendeinem neu erwachten Pflichtgefühl -
prompt einen Heiratsantrag gemacht, der so romantisch geriet
wie ein Kuhhandel.
Und von ihr wurde erwartet, dass sie ob der überwältigen-
den Großmut des Marquess of Ralston vor Dankbarkeit zusam-
menbrach. Nein, danke. Sie würde einfach den Rest ihrer Tage
mit der wunderbaren Erinnerung an die letzte Nacht zubringen
und damit zufrieden sein.
Hoffte sie.
„Deine ehrenwerten Absichten wurden zur Kenntnis genom-
men ..."
„Meine Güte, Callie, nun hör schon auf mit den Albernhei-
ten." Sein Ton war so verärgert, dass es ihr doch zu denken gab.
„Dir ist doch klar, dass du schwanger sein könntest."
Bei diesen Worten legte Callie unwillkürlich die Hand an die
Taille. Sie unterdrückte die intensive Sehnsucht, die sie bei der
Vorstellung erfasste, von Ralston ein Kind zu bekommen. Diese
Möglichkeit war ihr gar nicht in den Sinn gekommen - aber wie
groß war schon die Wahrscheinlichkeit? „Das möchte ich sehr
bezweifeln."
„Trotzdem besteht die Möglichkeit. Ich werde nicht zulassen,
dass mein Kind als Bastard auf die Welt kommt."
Callie funkelte ihn an. „Ich auch nicht. Aber findest du nicht
auch, dass dies ein wenig voreilig ist? Schließlich ist das Risiko
ziemlich gering."
„Jedes Risiko, und sei es noch so klein, ist zu groß. Ich will,
dass du mich heiratest. Du bekommst alles von mir, was du dir
je wünschen könntest."
Du wirst mich nie lieben. Das könntest du nicht. Ich bin zu
reizlos. Zu langweilig. Gar nicht das, was du verdienst. All das ging ihr durch den Kopf, doch sie schwieg, schüttelte nur den
Kopf.
Er seufzte ungeduldig. „Wenn du Vernunftgründen nicht zu-
gänglich bist, bleibt mir nichts anderes übrig, als mit Benedick
zu sprechen."
Callie keuchte auf. „Das würdest du doch nicht tun!"
„Du schätzt mich offensichtlich vollkommen falsch ein. Ich
werde dich heiraten, und ich bin mir nicht zu schade, deinen
Bruder dazu zu bringen, dich zum Traualtar zu zwingen."
„Benedick würde mich nie zwingen zu heiraten", protestierte
Callie.
„Das werden wir ja bald herausfinden." Kampfbereit stan-
den sie sich gegenüber und funkelten sich eine Weile zornig an.
Dann fragte er weicher: „Wäre es denn so schlimm?"
In Callies Brust loderten die Gefühle hoch, und sie konn-
te nicht gleich antworten. Natürlich wäre es nicht schlimm,
Ralston zu heiraten. Ralston zu heiraten wäre wunderbar.
Schließlich hatte sie sich jahrelang nach ihm verzehrt, ihn voll
Sehnsucht vom Rand der Ballsäle aus beobachtet, die Klatsch-
kolumnen nach Neuigkeiten von ihm und seinen Eskapaden
durchforstet. Während die Matronen der Gesellschaft über die
zukünftige Marchioness of Ralston spekuliert hatten, hatte
Callie sich heimlich vorgestellt, wie sie neben ihrem geliebten
Marquess saß und Hof hielt.
Aber in all den Jahren hatte sie immer nur von einer Lie-
besheirat geträumt. Sie hatte sich vorgestellt, dass er sie eines
Tages in einem überfüllten Ballsaal oder in einem Laden in der
Bond Street oder bei einer Dinnereinladung sehen und sich
Hals über Kopf in sie verlieben würde. Und dann würden sie
glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben.
In ihrem Alter, in ihrer Stellung wusste sie, dass ihre beste
Chance, doch noch zu heiraten und eine Familie zu gründen, in
einer lieblosen Vernunftehe lag, aber sich auf so etwas ausge-
rechnet mit Ralston einzulassen, war einfach zu viel für sie.
Sie sehnte sich nun schon so lange nach ihm, dass sie einfach
nichts anderes akzeptieren konnte als Liebe. Also sammelte sie
sich und sagte: „Natürlich wäre es nicht schlimm. Du würdest
bestimmt einen guten Ehemann abgeben. Ich bin nur zufällig
nicht auf der Suche nach einem Mann."
„Verzeih, wenn ich dir nicht glaube", spottete er. „Jedes un-
verheiratete Frauenzimmer in London ist auf der Suche nach
einem Mann." Er hielt inne, überlegte. „Liegt es an mir?"
„Nein." Eigentlich bist du ziemlich vollkommen. Er
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