Sarah Maclean
ihrem privaten Kartentisch angelächelt hatte; Callie, wie
sie nackt und rosig überhaucht vor Leidenschaft dagelegen
hatte.
Er warf einen Blick in den Flur, den sie am Abend davor ge-
nommen hatten, und plötzlich überkam ihn das aberwitzige
Verlangen, noch einmal in das Kartenzimmer zu gehen, in dem
sie den gestrigen Abend verbracht hatten. Einen flüchtigen Mo-
ment überlegte er, ob er sich eine Kanne Kaffee in den Raum
bringen lassen sollte, wo er sich dann in Ruhe mit Erinnerungen
an ihren Abend und all die Dinge quälen konnte, die er falsch
gemacht hatte. Er entschied sich jedoch dagegen, im Interesse
seiner eigenen geistigen Gesundheit.
Er war ehrlich entsetzt von ihrer ablehnenden Reaktion auf
seinen Heiratsantrag. Schließlich kam es nicht jeden Tag vor,
dass ein attraktiver, junger, reicher Marquess einer Frau die Ehe
antrug. Noch seltener geschah es allerdings, stellte er sich vor,
dass dieser Marquess dann zurückgewiesen wurde. Wie lange
war er ehestiftenden Mamas und verzweifelten Debütantinnen
aus dem Weg gegangen, die alle in irgendeiner Weise um die
Stellung der Marchioness of Ralston konkurriert hatten. Und
jetzt, als er diese Stellung endlich anbot, hatte seine Auser-
wählte ihm einen Korb gegeben.
Wenn sie glaubte, sie könnte ihn nach letzter Nacht einfach
abweisen und ihm den Rücken zukehren, lag sie vollkommen
falsch.
Wütend zog er den Mantel aus und warf ihn einem Lakaien
zu, nicht ohne vorher noch ihren Duft an dem schweren Tuch
wahrgenommen zu haben - eine Mischung aus Lavendel, Man-
deln und ... Callie. Bei dem Gedanken verfinsterte sich seine
Miene. Der Lakai, der anscheinend befürchtete, die Laune des
Marquess ausbaden zu müssen, verzog sich schleimigst, was
Ralston mit einem gewissen Maß an Befriedigung erfüllte, wie
er sich eingestehen musste.
Dieses Vergnügen währte jedoch nicht lang; schon bald koch-
te wieder Empörung in ihm hoch. Was zum Teufel ist nur mit ihr
los?
Er konnte nicht fassen, dass sie ihn abgewiesen hatte. Sie
konnte doch nicht ernsthaft glauben, dass sie nicht zusam-
menpassten. Sie mochte ja Jungfrau gewesen sein, aber selbst
sie musste doch gespürt haben, dass ihr Zusammensein letzte
Nacht - und all die anderen Male davor - etwas Besonderes ge-
wesen war. Im Schlafzimmer würde ihre Ehe sicher nicht schei-
tern. Und jenseits der Leidenschaft bestanden zwischen ihnen
ja noch weitere Gemeinsamkeiten: ihre Intelligenz, ihr Sinn für
Humor, ihre Reife. Und von alledem abgesehen, war sie einfach
wunderschön. Weich an all den richtigen Stellen. Ralston ließ
die Gedanken schweifen ... ein Mann konnte sich jahrelang in
ihren üppigen Rundungen verlieren.
Ja, Lady Calpurnia Hartwell wäre genau die richtige Mar-
chioness für ihn.
Wenn sie das nur selbst auch erkennen könnte.
Ralston fuhr sich durch die Haare. Eine Ehe mit ihm würde
ihr einen Marchioness-Titel, Reichtum, Ländereien und einen
der begehrtesten Junggesellen Englands einbringen. Was zum
Teufel wollte die Frau eigentlich?
Eine Liebesehe.
Das gab ihm zu denken. Vor einiger Zeit hatte sie ihm einmal
erzählt, dass sie an die Liebe glaubte, und er hatte sich darü-
ber lustig gemacht, indem er ihr gezeigt hatte, dass gegenseitige
Anziehungskraft ebenso mächtig war wie die Liebe, auf die sie
so vertraute. Sie konnte ihn doch nicht nur deswegen abgewie-
sen haben, weil sie auf die wahre Liebe wartete. Er schüttelte
den Kopf. Ihn ärgerte schon die Vorstellung, dass sie ihren guten
Ruf und ihre Zukunft riskierte, indem sie seinen Heiratsantrag
ablehnte, nur weil sie sich nicht von ihren kindischen Illusionen
lösen konnte.
Die Idee war einfach grotesk. Er hatte keine Lust mehr, darü-
ber nachzudenken.
Ralston begab sich in den Raum neben der Eingangshalle, wo
sich immer irgendein Zeitvertreib fand. Er dachte an eine po-
litische Debatte, die ihn in Atem halten würde, doch der Raum
war praktisch leer, bis auf eine kleine Runde, die beim Karten-
spiel saß, Oxford und zwei weitere Herren. Zerknittert, wie sie
waren, saßen sie vermutlich schon die ganze Nacht dort.
Angewidert von Oxfords unverantwortlichen Spielgewohn-
heiten und nicht gerade begierig darauf, von der Gruppe ins
Gespräch gezogen zu werden, wollte Ralston den Raum so
schnell und leise verlassen, wie er ihn betreten hatte. Bevor er
das jedoch tun konnte, entdeckten ihn die anderen.
„Ralston, alter Junge. Kommen Sie, spielen Sie eine Runde
mit uns", rief
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