Sarah Maclean
sanft geschwun-
genen Hüften, ihre sinnliche Figur. Ein Kleid wie dieses war
dazu gemacht, zu betonen, zu ermutigen und die Männerwelt
verrückt zu machen. Ein Kleid wie dieses diente nur einem
Zweck - einen Mann dazu zu verführen, es ihr wieder auszu-
ziehen.
In diesem Augenblick drehten Oxford und Callie sich so,
dass sie Ralston direkt gegenüberstanden. Er begegnete ihrem
Blick und war erschüttert von der Traurigkeit, die sich darin
zeigte. An diesem Abend hatte sie etwas an sich, was anders
war als sonst, etwas fast Tragisches. Instinktiv wusste er, dass
er der Grund für diese Traurigkeit war - weil er alles verdor-
ben hatte. Er hatte den Heiratsantrag vermasselt und sie ir-
gendwie dazu gebracht zu glauben, er wolle sie in Wirklichkeit
gar nicht heiraten.
Er unterdrückte einen Fluch, als Oxford und Callie wieder
von den Paaren auf der Tanzfläche verschluckt wurden. Hin
und wieder sah er das blau schimmernde Kleid noch aufblitzen,
wenn das Wogen der Tanzenden es gestattete, doch je weiter das
Paar sich entfernte, desto finsterer wurde seine Laune.
Ralston begann am Rand des Ballsaals entlangzuschlendern,
um zu verhindern, dass sie ganz aus seinem Gesichtskreis ver-
schwanden. Im Vorübergehen nickte er hin und wieder Bekann-
ten zu, bemüht, so langsam zu gehen, dass er keine Aufmerk-
samkeit erregte, aber doch rasch genug, um mit den Tanzenden
Schritt zu halten.
„Lord Ralston, was für eine Freude, Sie heute Abend hier zu
sehen", schnurrte die Countess of Marsden, während er sich an
ihr vorbeidrängte.
Er blieb stehen, nicht fähig, unhöflich zu sein, trotz der lüs-
ternen Miene der Dame; er hätte sich nicht gewundert, wenn
sie plötzlich begonnen hätte, sich verführerisch die Lippen zu
lecken. „Lady Marsden", sagte er und schlug einen gelangweil-
ten Ton an, von dem er wusste, dass er die Countess verärgern
würde. „Freut mich, dass Sie sich freuen. Ich würde gern Ihren
Ehemann begrüßen", sagte er vielsagend. „Ist er da?"
Die Augen der Countess wurden schmal, und er wusste, dass
seine Bemerkung ins Schwarze getroffen hatte. „Nein, leider
nicht."
„Ah", sagte er abwesend, schon im Gehen begriffen. „Schade.
Bestellen Sie ihm doch schöne Grüße."
Er sah zu den Tanzenden und entdeckte Juliana, die Rivington
anlachte, der sie munter durch den Saal wirbelte und ganz Lon-
don zeigte, dass Juliana Fiori, ob nun Halbschwester oder nicht,
aus dem Ausland oder nicht, als Tanzpartnerin ebenso geeignet
war wie jede andere Dame im Raum. Ralston schwoll das Herz,
als er seine Schwester betrachtete, die gerade den Duke anlächel-
te, als wäre es völlig normal, dass sie mit einem der angesehens-
ten Mitglieder des englischen Hochadels tanzte. Der vornehmen
Gesellschaft würde es schwerfallen, etwas an ihr auszusetzen zu
finden, sie würde aber ihr Bestes tun. Zusammen mit Nick, den
Rivingtons und den Allendales würde es ihm jedoch gelingen, Ju-
liana zu beschützen - so gut es ging. Die Allianz mit Callie war
eine der besten Entscheidungen, die er hätte treffen können, da-
mit Juliana in der Gesellschaft akzeptiert wurde.
Callie.
Sie war etwas Besonders. Auch während sie ihn bedrängt, ge-
ärgert und abgewiesen hatte, hatte sie jedes ihrer Versprechen
erfüllt und Juliana in eine Debütantin verwandelt, auf die je-
der Bruder stolz sein konnte. Allein hätte er das weiß Gott nie
geschafft, trotz aller neu erwachten ehrbaren Absichten. Dass
Juliana heute Abend hier war und Erfolge feiern konnte, war
allein Callies Verdienst. Und irgendwie war sie Teil seines Le-
bens geworden.
Der Gedanke beflügelte ihn; plötzlich wusste er, dass er Callie
noch einmal allein sprechen musste. Inzwischen hatte er nicht
mehr so sehr das Gefühl, er müsste sie aus Anstand und Verant-
wortung heiraten, inzwischen wollte er sie heiraten. Absurder-
weise hatte er den Eindruck, dass er sie umso dringender hei-
raten wollte, je entschiedener sie ihn zurückwies. Nun musste
er sie nur noch davon überzeugen, dass sie es auch wollte.
Er musterte die Menschenmenge, versuchte sie in der Masse
zu entdecken - hielt Ausschau nach einem Aufblitzen himmel-
blauen Satins, damit er sie, wenn der Tanz endlich vorüber war,
zu einem Gespräch unter vier Augen davonlotsen konnte.
Die Musik endete in einem schwungvollen Crescendo, und
dann kamen die Paare zum Stehen. Ralston sah zu, wie sie die
Tanzfläche verließen, da das Orchester eine Pause
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