Sarah Maclean
einlegte. Er
sah, dass Juliana und Rivington zu Mariana und Nick gingen,
um ihr früheres Gespräch wieder aufzunehmen, doch Oxford
und Callie waren nirgendwo zu sehen.
Wohin zum Teufel waren sie gegangen?
Nach ihrem Walzer führte Oxford Callie in ein kleines, abge-
legenes Zimmerchen, das auf der anderen Seite des Ballsaals
von Salisbury House von einem dunklen Korridor abging. Die
Türen zum Flur standen offen, um möglichst viel frische Luft
in den stickigen Ballsaal zu bekommen, und so hatte Oxford sie
nach dem Tanz in diesen abgeschiedenen Bereich geführt, da-
mit sie, wie er es ausdrückte, einen ruhigen Moment miteinan-
der genießen konnten.
Die angelehnte Tür stets im Blick, warf Callie Oxford ein un-
sicheres Lächeln zu. „Danke, Mylord, für Ihre Begleitung", sag-
te sie anmutig. „Ich vergesse immer wieder, wie unangenehm
warm es auf Bällen sein kann."
Oxford tat einen Schritt auf sie zu. „Bitte, verschwenden Sie
keinen Gedanken daran."
Callie rückte ein Stück von ihm ab, während er immer näher
kam. „Ich habe ziemlich Durst, Mylord. Vielleicht könnten wir
jetzt in den Ballsaal zurückgehen und uns auf die Suche nach
Erfrischungen begeben?"
„Vielleicht könnten wir uns auch mit anderen ... Aktivitäten
von unserem Durst ablenken?" Er hielt inne. „Liebling."
Callie hob erstaunt die Brauen. „Mylord", protestierte sie,
als er noch näher kam und sie neben der Tür gegen die Wand
drängte. Allmählich wurde sie nervös. „Lord Oxford!", rief sie
aus, unsicher, welche Motive ihn leiteten.
Er beugte sich zu ihr vor. „Rupert", korrigierte er sie. „Ich bin
der Ansicht, es wird Zeit, dass wir die Förmlichkeiten hinter
uns lassen. Finden Sie nicht auch?"
„Lord Oxford", erwiderte sie entschieden, „ich möchte jetzt
zurückgehen. Sofort. Das hier ist höchst ungebührlich."
„Sie werden Ihre Meinung ändern, wenn Sie sich angehört ha-
ben, was ich Ihnen zu sagen habe", erwiderte er. „Sehen Sie ...", er machte eine lange Pause, „... ich biete Ihnen die Möglichkeit,
meine Gemahlin zu werden."
Callies Augenbrauen schossen in die Höhe.
Er bemerkte ihre Überraschimg und versuchte es noch ein-
mal. Diesmal redete er mit ihr, als wäre sie ein Kind. „Sie haben
die Möglichkeit zu heiraten. Mich."
Lieber Himmel, gab es in ganz London denn keinen einzigen
Mann, der seinem Heiratsantrag eine Prise Romantik verleihen
konnte?
Callie unterdrückte ein nervöses Lachen und schob sich Rich-
tung Tür. „Mylord, ich fühle mich geehrt, dass Sie an mich ge-
dacht haben ..." Sie verstummte, suchte nach geeigneten Wor-
ten, um ihn freundlich abzuweisen.
Doch im nächsten Augenblick hatte er die Arme um sie ge-
schlungen und seine Lippen auf die ihren gepresst, zu einem
nassen, weichen und überaus unangenehmen Kuss. Er schob
ihr die Zunge in den Mund. Callie zuckte vor ihm zurück, legte
ihm die Hände auf die Schultern, um ihn von sich zu stoßen. Er
jedoch hielt diese Geste für eine Liebkosung und machte wei-
ter, drängte sie so heftig gegen die Wand, dass sie den Türstock
schmerzhaft im Rücken spürte. Er flüsterte: „Sei doch nicht so
schüchtern. Wir werden schon nicht erwischt. Und wenn doch,
sind wir eben verlobt."
Callie versuchte, sich Oxford zu entziehen, und schüttelte den
Kopf ob so viel Arroganz. Die Vorstellung, dass sie bei der blo-
ßen Erwähnung eines Heiratsantrags vor Dankbarkeit in die
Knie gehen sollte, hätte sie verletzt, wenn sie nicht so grotesk
gewesen wäre. Wieder stieß sie ihn mit aller Kraft zurück und
sagte: „Ich fürchte, Sie sind ganz und gar auf dem Holzweg."
Er hielt inne, als sie sich zwischen ihm und der Wand hindurch-
schlängelte. „Ich habe nicht die Absicht, Sie zu heiraten. Ich
möchte, dass Sie jetzt gehen."
Oxford blinzelte zweimal, als könnte er diese Entscheidimg
nicht verstehen. „Das kann nicht Ihr Ernst sein."
Die Ironie der Situation war ihr durchaus bewusst: Acht-
undzwanzig Jahre hatte sie darauf gewartet, dass irgendje-
mand Interesse an ihr zeigte, und nun, wo zwei Männer ihr ei-
nen Heiratsantrag machten, wies sie beide zurück. War sie denn
verrückt?
„Allerdings, mein vollkommener Ernst. Anscheinend haben
Sie meine Freundschaft missverstanden."
„Freundschaft!", höhnte Oxford, worauf ihr plötzlich ein we-
nig Angst wurde: Sein Ton war harsch geworden. „Sie glauben,
ich will Freundschaft? Im Gegenteil. Ich suche eine Ehefrau."
Er spie ihr
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