Sarah Maclean
denn?"
„Sie ist jung und allein und hat schrecklich Angst, dass sie
Sie enttäuschen könnte, Lord Ralston. Über mich können Sie
ja sagen, was Sie möchten, aber versuchen Sie doch bitte da-
ran zu denken, dass sie recht empfindsam ist. Und dass sie Sie
braucht."
„Ich bin kein Ungeheuer."
Sie lächelte ausdruckslos. „Nein. Natürlich nicht."
Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie das
selbst nicht glaubte.
Da sie Anstalten machte, das Zimmer zu verlassen, sagte er
rasch: „Steht er auf Ihrer Liste?"
„Wie bitte?", fragte sie steif und wandte sich mit königlicher
Verachtung zu ihm um.
Er erklärte, als hätte er es mit einem Einfaltspinsel zu tun:
„Nicholas, Callie. Mein Bruder. Steht er auf Ihrer Liste? Punkt
3: St. John an Land ziehen?"
Callie riss die Augen auf. „Sie glauben, Ihr Bruder steht auf
meiner Liste?"
„Genau das glaube ich." In seinen Augen flackerte ein Ge-
fühl, das sie nicht recht einordnen konnte. „Und, stimmt es?"
Sie konnte das Gelächter nicht unterdrücken, das ange-
sichts dieser albernen Frage in ihr aufstieg. „Nein, Ralston, das
stimmt nicht. Ich versichere Ihnen, wenn ich einen Mann auf
meiner Liste stehen hätte, dann sicher nicht Ihren Bruder."
„Wen denn dann?"
Wider jedes besseres Wissen wärst du es, du Klotzkopf. „Das
Gespräch ist für mich beendet." Callie wandte sich wieder zur
Tür zurück. Und dann stand er neben ihr, packte sie an der
Hand und wirbelte sie zu sich herum. Als sie seine Wärme spür-
te, zuckte sie zusammen; sie bemühte sich, ihre Panik zu igno-
rieren.
„Für mich aber nicht."
„Lord Ralston", begann Callie mit zornblitzendem Blick, „Sie
scheinen unter dem Eindruck zu stehen, dass ich Ihren Launen
in irgendeiner Weise verpflichtet bin. Erlauben Sie, dass ich Sie
korrigiere. Ihre Dienstboten und Ihre Familie mögen Sie ja nach
Gutdünken herumkommandieren, aber ich bin weder das eine
noch das andere. Und auch wenn Sie mich für ein reizloses,
sprödes Ding halten, das immer nur abwartet, habe ich genug
davon, von Ihnen herumgeschubst zu werden. Ich gehe jetzt."
Er zuckte ein wenig vor ihrem Zorn zurück. „Ich habe nie
behauptet, dass Sie immer nur abwarteten. An Ihnen ist über-
haupt nichts Passives."
Sie entriss ihm ihre Hand und funkelte ihn wütend an. Einen
Augenblick glaubte er fast, sie wollte ihm etwas antun.
Als sie auf dem Absatz kehrtmachte und die Hand nach dem
Türknopf ausstreckte, legte er die Hand auf die Tür und drück-
te sie zu. „Sie mögen weder meine Dienstbotin noch ein Mit-
glied meiner Familie sein, Calpurnia, aber wir haben eine Über-
einkunft getroffen."
Bei diesen Worten erstarrte sie. „Ich habe meine Seite der Ab-
machung erfüllt."
„Julianas Benehmen heute Nachmittag beweist das Gegen-
teil."
„Ach, ich bitte Sie", sagte Callie verächtlich, „wir wissen
doch beide, dass sie so weit ist."
„Ich weiß nichts dergleichen. Und ich werde beurteilen, wann
sie so weit ist."
„Als wir unser Abkommen trafen, war von derartigen Bedin-
gungen keine Rede."
„Sie wurden aber auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen.
Ich stelle sie eben jetzt. Sie haben bekommen, was Sie wollten.
Oder haben Sie das vergessen?" Bei diesen Worten lief ihr ein
Schauer den Rücken hinunter. Er stand hinter ihr, und sie spür-
te seinen warmen Atem auf ihrem bloßen Hals. Hitze durch-
zuckte sie.
„Ich habe es nicht vergessen." Die Worte kamen ihr wie von
selbst über die Lippen, und sie schloss kurz die Augen.
Darauf legte er ihr die Hand auf den Arm und drehte sie zu
sich um, ganz ohne Druck auszuüben. Der Zorn war aus ihrem
Blick verschwunden, hatte einer ganzen Reihe von Gefühlen
Platz gemacht. „Ich auch nicht. Nicht dass ich es nicht versucht
hätte."
Bevor sie noch überlegen konnte, was damit wohl gemeint
war, drückte er seine Lippen auf die ihren, und sie konnte nicht
mehr denken.
„Ich habe versucht, den Kuss zu vergessen ... und die Eahrt in
der Kutsche ... und den Fechtclub ... aber irgendwie gehst du
mir einfach ... nicht mehr aus dem Sinn."
Beim Sprechen küsste er sie - lange, betörende Küsse, Küsse,
die ihre Sinne aufwühlten. Dann geleitete er Callie durch das
Zimmer zu einem großen Sessel am Kamin und ließ sie dort
Platz nehmen. Er kniete vor ihr hin, umfasste eine Wange mit
starker, warmer Hand und warf ihr einen glühenden Blick zu.
Kopfschüttelnd, so als wüsste er nicht recht, was über
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