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Sarahs Moerder

Sarahs Moerder

Titel: Sarahs Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Longo
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Panino, und eine Möwe ließ sich auf dem Mäuerchen neben uns nieder. Sie hüpfte zweimal hoch, dann flog sie weg. Der Commissario schaute ihr übers Meer nach und schwieg, wie verzaubert. Ich schaute auch aufs Wasser, und Minuten vergingen, ohne dass er was sagte. Deshalb fragte ich nur so, um was zu sagen, an was er dachte. Er trank einen Schluck Chinotto, als hätte er mich nicht gehört, und biss nochmal in seinen Panino. Zwei Verliebte gingen eng umschlungen an uns vorbei. Ab und zu blieben sie stehen, fummelten aneinander rum und gingen dann weiter.
    Als das Pärchen schon ziemlich weit weg war, antwortete der Commissario.
    »Diese Geschichte mit Sarah erinnert mich an eine andere Geschichte.«
    »Was für eine Geschichte?«
    Er steckte sich den Rest von dem Panino in die Tasche, sprang von der Mauer, machte ein paar Schritte und drehte sich dann wieder zum Meer um.
    »Die Geschichte von einem Freund, auch ein Polizist. Damals wird er so alt gewesen sein wie du.«
    Er machte eine Pause und drehte die Flasche in den Händen hin und her.
    »Er saß mit seiner Frau im Auto. Sie hieß Lucia, eine hübsche Blonde. Sie waren erst seit Kurzem verheiratet.«
    Er unterbrach sich und hustete. Dann trank er noch einen Schluck Chinotto.
    »Es war an einem Abend im Frühling. Auf der Straße war viel los, er fuhr vorsichtig. Die Vorsicht hatte aber nichts mit dem Verkehr zu tun, sondern damit, dass sie gerade erfahren hatte, dass sie schwanger war. Beide waren ganz aufgeregt, am nächsten Wochenende wollten sie nach Amalfi fahren und feiern. Sie hat gesagt, dass sie in Amalfi eine Riesenportion gebratene Tintenfische essen wollte, am Meer. Dann hat sie gelacht. Sie hatte eine ganz besondere Art zu lachen, ansteckend. Der Polizist hat auch gelacht. Während sie so über Tintenfische geredet haben, bekamen sie Hunger und haben sich eine Pizzeria gesucht.«
    Der Commissario sagte nichts mehr, und ich hab schon gedacht, die Geschichte wäre zu Ende. Ich hab nicht kapiert, was das mit Sarah zu tun hatte, und wollte grade nachfragen, als der Commissario weiterredete.
    »In der Pizzeria waren nur ein paar Leute. Der Polizist und seine Frau wollten aber einen Tisch etwas abseits, um zu reden und allein zu sein. Sie bestellten Pizza und eine große Flasche Bier, prosteten sich zu. Die Margherita ist so außergewöhnlich wie du, hat er gesagt. Sie hat gelacht, und genau da kamen zwei bewaffnete Männer rein, nicht vermummt. Was heißt Männer, die waren vielleicht fünfzehn, sechzehn, nicht älter. Sie haben gebrüllt, keine Bewegung, und zum Besitzer, Geld her. Der Polizist hat überlegt, ob er eingreifen sollte. Einerseits dachte er, dass das seine Pflicht wäre. Andererseits hatte er Angst, das Leben seiner Frau zu gefährden. Er war unsicher und wusste nicht, was er machen sollte. Während er hin- und herüberlegte, hat er instinktiv die Hand auf die Pistole gelegt. Er dachte noch einen Moment nach, dann entschied er, dass es das nicht wert war. Einer der beiden hatte aber die verdächtige Bewegung bemerkt und in dem Glauben, der Polizist würde die Pistole ziehen, dreimal auf ihn geschossen. Sofort danach hauten die beiden Typen ab. Als der Polizist merkte, dass er unverletzt war, dachte er, das wäre sein Glückstag. Dann drehte er sich zu seiner Frau um, wollte sie beruhigen und sah das Blut in ihrem Gesicht. Sie wollte noch was sagen, aber das Blut lief ihr in den Hals, und sie konnte nicht mehr sprechen. Sie lächelte nur noch. Dann fiel ihr Kopf auf den Tisch.«
    Der Commissario schwieg und trank den Rest Chinotto. Die Hand, in der ich die Bierflasche hielt, war schweißnass, und mein Herz hämmerte bis zum Hals. Ich kriegte keine Luft mehr, konnte mich kaum bewegen. Tausend Dinge schossen mir durch den Kopf, total durcheinander. Das war eine Geschichte, die einem durch und durch ging. Außerdem war klar, dass es keinen Freund gab. Ihm selbst war das passiert, vor zwanzig Jahren oder noch mehr. Und das hatte schlimme Spuren hinterlassen. Dafür musste man kein Hellseher sein.
    Ich wollte was sagen, fand aber nicht die richtigen Worte.
    »Und dann?«
    Wenigstens redete er weiter.
    Er zuckte ein wenig mit der Schulter.
    »Dann … dann hatte der Polizist keine Ruhe mehr. Er fühlte sich schuldig, sagte sich immer wieder, dass das nicht passiert wäre, wenn er anders gehandelt hätte. Egal, das Einzige, was er noch tun konnte, das Einzige, was noch irgendeinen Sinn hatte, war, den zu finden, der geschossen hatte.«
    »Und hat

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