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Sarahs Moerder

Sarahs Moerder

Titel: Sarahs Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Longo
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irgendwann mal haben Sie öfters zu tief ins Glas geschaut, das hab ich begriffen.«
    Er nickte schweigend.
    »Was ich aber fragen wollte …«
    Ich wollte nicht zu weit gehen und hörte lieber auf. Irgendwo bellte ein Hund.
    »Was willst du wissen?«, fragte er, immer noch mit diesem Lächeln.
    »Na ja, Commissario, hat es einen Grund gegeben, dass Sie getrunken haben?«
    Das Lächeln verschwand, er wurde ernst, rupfte einen Grashalm aus und zerriss ihn. Du hast gesehen, dass ihm tausend Gedanken durch den Kopf schossen. Irgendwann dachte ich, dass er antworten würde, keine Ahnung, aber dann lenkte ihn was ab, was hinter mir passierte.
    »Da ist er«, sagte er leise.
    Ich drehte mich um und sah ein Moped näher kommen. Das Moped fuhr in einer Staubwolke und hüpfte über Steine und Schlaglöcher wie ein Schiff auf den Wellen. Es kam immer näher, bis zu dem Platz vor uns.
    Das war er.
    Der Pianist schaute sich um. Dann stieg er vom Mofa, machte es aus und lehnte es gegen den Brunnen. Er nahm eine Plastiktüte vom Lenker, wo vielleicht was zu essen drin war. Dann lief er ruhig zum Haus, stieg die Treppe hoch, schaute sich nochmal um und ging rein.
    Der Commissario beugte sich über die Mauer, hob Zeige- und Mittelfinger und bewegte sie dreimal in Richtung Lo Masto, der schnell und geräuschlos hinter dem Haus hervorsprang und zur Treppe lief. Bevor er hochging, gab er Scarano und Cipriani hinter dem Laster ein Zeichen. Sie liefen los. Lo Masto zog seine Pistole, sagte was zu den anderen und rannte die Treppe hoch, Scarano und Cipriani hinterher. Einen Moment später sind sie rein.
    Über den Feldern hörte man die Zikaden. Sonst nichts.
    Dreißig Sekunden vergingen.
    Aus dem Haus kam Lärm. Erst wie splitterndes Holz, dann wie Glas, das zerbricht. Irgendwer schrie. Sofort danach hörte ich Lo Masto brüllen: »Keine Bewegung oder ich schieße.«
    Kaum hatte er das gerufen, ging ruckartig der Rollladen hoch, und der Pianist tauchte auf dem Balkon auf. Ich sah, wie Cardillo sich auf ihn warf, aber er wich aus, rammte ihm das Knie in den Magen und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Cardillo ging sofort zu Boden. Der Pianist setzte über das Geländer und sprang runter auf den Vorplatz. Das waren mindestens vier Meter, die er mühelos nahm. Inzwischen war Lo Masto mit der Pistole in der Hand auf dem Balkon.
    »Halt! Halt oder ich schieße!«, schrie er.
    Aber der Pianist rannte schon weg.
    Lo Masto schoss zweimal in die Luft.
    Der Pianist beachtete ihn gar nicht, er sprang über die Mauer und war schon auf der Straße. Lo Masto boxte gegen den Rollladen und lief wieder rein.
    Einen Moment lang passierte nichts.
    Ich lief um den Feigenbaum rum und rannte dem Pianisten nach.
    Er war schnell, aber ich ließ nicht locker. Er hatte Sarah umgebracht und durfte nicht nochmal abhauen. Auch wenn ich nicht sehr trainiert war, hätten sie mich erschießen müssen, um mich zu stoppen.
    Er drehte sich um, und als er sah, dass ich hinter ihm her war, hob er zwei, drei Steine auf und schmiss sie nach mir, denen konnte ich aber ausweichen und sogar einige Meter gewinnen. Dann versuchte er, von der Straße weg in die Felder zu laufen, aber ich kam immer näher.
    So ging es die nächsten zweihundert Meter.
    Als ich fast dachte, ich hätte ihn, und ich mit der Hand beinahe seine Schulter berühren konnte, spürte ich, dass meine Lungen keine Luft mehr pumpten. Gleich war Schluss, das war klar. Wenn mir jetzt nichts einfiel, war er wieder weg. Deshalb warf ich mich mit letzter Kraft nach vorn wie beim Rugby.
    Ich bekam ihn am Oberschenkel zu packen und griff zu. So rollten wir ein paar Meter weiter.
    Um sich zu befreien, trommelte er mir mit den Fäusten auf den Kopf, aber ich hielt ihn fest. Dann trat er um sich, und ich musste den Griff lockern. Als er sich aufrappeln wollte, drückte ich ihn nochmal zu Boden und warf mich auf ihn. Ich riss die Pistole raus und richtete sie auf ihn.
    »Stillhalten, Arschloch!«
    Als er die Pistole sah, bekam er Schiss.
    »Was wollt Ihr eigentlich von mir? Was hab ich getan?«, schrie er.
    Der traute sich wirklich noch zu fragen, das Schwein, und zu protestieren. Wut stieg in mir hoch, und ich haute ihm den Pistolenkolben gegen die Stirn. Als ich die Hand zum nächsten Schlag hob, hörte ich die Stimmen von Lo Masto und Scarano.
    Einen Moment später hatten sie ihn unter mir weggezogen.

12.
    Genny, der Pianist, saß mit trotzigem Gesicht vor dem Commissario. Die Wunde von meiner Pistole blutete nicht

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