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Sarg-Legenden

Sarg-Legenden

Titel: Sarg-Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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auf den alten Herrensitz nieder, in dem die Kilrains einmal gelebt hatten. Nun nicht mehr. Jetzt lagen sie auf ihrem Friedhof, waren gestorben und trotzdem nicht tot, wie Doyle nun wußte.
    Was passierte unter seinen Füßen? Redeten sie nur? Konnten sie sich auch bewegen? Er hatte keine Ahnung. Aber er wäre gern in die Erde hineingekrochen, um Mäuschen zu spielen. Es wäre herrlich gewesen, da etwas zu entdecken, sich selbst mit den lebenden Toten zu unterhalten und sich erklären zu lassen, wie es in dieser Welt dort unten tatsächlich aussah. Er überprüfte seine Kamera. Sie besaß ein ausklappbares Sichtfenster, so daß er die Bilder, die er schoß, sofort sehen konnte. Er konnte sie dann einprogrammieren und immer abrufen. So würde er der skeptischen Welt beweisen, daß nicht alle Toten auch richtig tot waren.
    Allmählich veränderte sich auch die Atmosphäre auf dem Friedhof. Je dunkler es wurde, um so unheimlicher breitete sich das Zwielicht aus. Die Grabsteine waren mehr schattenhaft zu sehen. Sie ähnelten dunklen Gebilden, die einfach wegtauchen wollten. Das Gras verschwand ebenfalls in den dunkleren Gefilden, und manchmal hatte der Fotograf den Eindruck, als wäre die Erde zwischen den Gräbern dabei, sich zu bewegen. Er wartete auf bestimmte Geräusche. Auf ein Klopfen aus der Erde und wieder auf die Stimmen.
    Es hatte sich etwas verändert. Nicht nur äußerlich durch das Hereinschleichen der Dämmerung. Doyle war sensibel genug, um es zu spüren. Es lastete überall in seiner Nähe. Es kam von rechts, von links und natürlich von unten.
    Immer wieder ließ er die Blicke über den alten Friedhof mit der krummen Einfriedung schweifen. Keine Spur von den Toten. Niemand war da, der sich bewegte. Auch aus dem Dorf ließ sich kein Bewohner blicken. Dabei war Doyle davon überzeugt, daß sie Bescheid wußten. Das lag auf der Hand. Wäre es anders gewesen, dann hätten sie sich auch anders ihm und Bill Conolly gegenüber verhalten.
    Manchmal spielten ihm seine Augen einen Streich. Da überkam ihn der Eindruck, daß sich die Grabsteine bewegten. Das schrieb er seinen überreizten Nerven zu.
    Plötzlich waren die Stimmen wieder da!
    Obwohl Doyle jetzt auf dem Friedhofsboden saß, hörte er sie deutlich. Wie aus einem Trichter kommend, drangen sie zu ihm hoch. Da schien sich die alte Erde geöffnet zu haben, und er hörte wieder ihr Wispern und Flüstern.
    »Der Mond wird kräftiger, Bruder.«
    »Ich spüre es.«
    Doyle schaltete den Recorder ein.
    »Ich möchte raus.«
    »Ja, wir alle wollen es.«
    »Es stört mich was.«
    »Der Mensch?«
    »Ja.«
    Die Stimmen verstummten nicht, aber sie veränderten sich. Doyle hörte die schrillen Geräusche, die er mit dem Zirpen zahlreicher Grillen verglich, die sich in seiner Nähe befanden und sein Gehör malträtierten. Er preßte die Lippen zusammen und dachte darüber nach, daß die andere Seite – wer immer sie auch war – wußte, daß er sich auf dem Friedhof aufhielt.
    Da war von einem Menschen die Rede gewesen, und damit konnten sie nur ihn gemeint haben.
    Er blieb sitzen. Es war so still geworden, daß er das Rollen der Spulen hörte. War das alles gewesen? Er glaubte es nicht und wartete weiterhin ab.
    Es mußte noch eine Chance geben. Er wußte es. Das war erst der Anfang. Er versuchte so gut wie möglich, jede Stelle des Friedhofs abzusuchen. Er dachte wieder an das Flüstern der Toten und daran, daß die alten Sarg-Legenden zu einer Wahrheit werden konnten. Nein, das war nicht alles. Sie warteten noch darauf, daß der Mond kräftiger schien und sein kaltes Licht über den Friedhof fließen ließ. Das konnte Minuten dauern, aber auch Stunden.
    »Scheiße, Conolly, wo bist du? Ich brauche dich jetzt, verflucht noch mal!« Er wollte einen Zeugen haben. Schon jetzt hätte er ihn gebrauchen können.
    »Bruder…«
    Sofort rissen die eigenen Gedanken bei Harry Doyle ab. Die Stimme war wieder da.
    »Ja…«
    »Ich halte es nicht aus.«
    Der schnelle Blick auf den Recorder. Okay, das Band lief, und Doyle war zufrieden.
    »Aber da ist jemand.«
    »Hindert uns das?«
    »Nein.«
    »Wir müssen zum Haus!«
    »Gern.«
    »Was machen wir?«
    Kein Wort war normal gesprochen. Es hörte sich immer schrill und überspitzt an. Harry Doyle schüttelte einige Male den Kopf. In seinen Ohren brauste es. Er haßte dieses verdammte Geräusch, aber er kam davon auch nicht weg.
    »Sollen wir es wagen?«
    »Sicher…«
    Dann folgte ein Kichern. Danach war es still. Doyle schaltete

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