Sarg-Legenden
nach einer Zigarettenschachtel und klaubte ein Stäbchen hervor. Nervös zündete er es an.
»Reden Sie endlich!«
»Sie waren nicht normal, Sir. Die Kilrains unterschieden sich eben von uns.«
»Inwiefern?«
»Sie beschäftigten sich mit dem Jenseits, und das taten sie sehr intensiv. Wir haben nie etwas Genaues gewußt. Als es dann soweit war, da haben wir sie begraben.«
»Moment mal. Begraben? Wieso?«
»Sie waren tot.«
»Es ist klar, daß Sie keine lebenden Menschen begraben. Warum waren sie tot?«
»Kollektiver Selbstmord«, gab er flüsternd zu. »Sie haben sich alle selbst umgebracht. Der ganze Clan. Sie sind erstickt, und wir begruben sie, wie es abgemacht war.«
»Wie viele waren es?«
»Vier Kilrains. Zwei Brüder und zwei Schwestern. Die letzten aus dem Clan.«
»Wie sind die anderen denn gestorben?« erkundigte sich Suko. »Ich denke da an die Eltern und Großeltern.«
»Das weiß ich nicht. Aber auch sie liegen auf dem alten Friedhof begraben.«
»Warum begeht man kollektiven Selbstmord?« fragte ich den Wirt.
Er paffte noch zwei Züge und drückte dann die Zigarette aus. »Das weiß ich nicht.«
»Sie lügen!« sagte ich ihm ins Gesicht. »Ja, Sie lügen, Mr. Clifton. Sie wissen es, aber Sie wollen es uns nicht sagen, aus welchen Gründen auch immer.«
Jetzt sprach Jorge. »Die Kilrains waren alle komisch, das wußten wir hier. Sie haben immer vom Tod gesprochen und glaubten daran, ihn überwinden zu können. Was sie in ihrem Haus getrieben haben, das hat keiner von uns gewußt, denn sie ließen niemand hinein. Aber in der Dunkelheit schimmerte oft ein seltsames Licht hinter den Fenstern. Es war nicht rot und auch nicht gelb. Ein mehr fahles Leuchten und richtig unheimlich. Meine Tante hat mal gemeint, sie hätte den Teufel gespürt, als sie nachts in der Nähe des Hauses vorbeigegangen ist. Seit dieser Zeit hatten wir alle nur Angst vor ihnen. Niemand bekam mehr Kontakt. Die Kilrains blieben für sich.«
»Und Sie haben nichts weiter gemeldet?«
Jorge atmete laut aus. »Ja, so ist das gewesen. Wir wollten und wollen keine Fremden. Das sollte alles unter uns bleiben. Wir müssen damit fertig werden.«
»Dann hat auch niemand von ihnen dan privaten Friedhof der Kilrains besucht – oder?«
»Jeder schlug einen Bogen. Es ist verfluchte Erde, und das schon seit Jahren.«
»Hör auf, Jorge«, sagte Clifton.
»Verdammt, das ist doch so. Alle haben Angst. Alle glauben, daß die Kilrains nicht richtig tot sind und tatsächlich geschafft haben, was sie immer sagten.«
»Das meinten auch unsere beiden Freunde«, sagte ich.
»Die Kilrains haben sie geholt.«
»Sind Sie sicher, Jorge?« fragte Suko.
»Ja, das bin ich. Ich bin mir völlig sicher. Wenn Sie die anderen hier fragen, werden sie Ihnen das auch sagen. Aber sie trauen sich nicht, weil sie Angst haben.«
»Eine so große Angst, daß selbst Bill Conollys Frau in London bedroht wurde, nicht wahr?«
O’Leary nickte mir zu.
»Wo haben sie gewohnt?«
»Bei mir«, flüsterte Averell. »Ich vermiete Zimmer. Vier davon befinden sich oben.«
»Ist das Gepäck noch dort?«
»Ja.«
»Und das Auto?«
Clifton zuckte mit den Schultern.
Es war für mich auch nicht wichtig. Ich wollte nur wissen, ob die beiden zum Friedhof gegangen waren. Das konnte oder wollte mir Clifton nicht bestätigen.
»Gut«, sagte ich. »Wenn das so ist, werden wir uns den Friedhof anschauen. Von jetzt an weht ein anderer Wind, darauf können Sie sich verlassen.«
Clifton gab mir keine Antwort. Er schaute mich auch nicht an. Er wirkte wie jemand, der nicht unbedingt zur Zusammenarbeit bereit ist.
»Noch eins, Clifton. Sollte den beiden Männern etwas passiert sein, beginnt hier das große Aufräumen. Sie und Ihre Mitbewohner haben noch Zeit, sich kooperativ zu verhalten. Ansonsten können auch wir keine Rücksicht nehmen.«
»Es ist Ihr Fall. Sie sind die Polizisten.«
Wir konnten ihn nicht zwingen, noch mehr zu sagen. Für uns war der Besuch hier beendet. Allerdings hatten wir den privaten Friedhof auf der Herfahrt nicht gesehen. Deshalb erkundigten wir uns nach dem Weg, den uns Jorge beschrieb.
»Ich hoffe, daß wir zurechtkommen«, erklärte ich zum Abschied und ging hinter Suko auf die Tür zu.
Draußen hatte sich etwas verändert. Der Ort war nicht mehr so leer. Schon beim Eintreffen waren uns die Menschen aufgefallen, die uns nicht aus den Augen gelassen hatten. Auch jetzt waren sie noch da, aber sie hatten sich vermehrt. Sie standen vor den
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