Sarg niemals nie
uns«, gab ich eindringlich zu bedenken. »Er weht das Mehl, das dort drüben am Boden verstreut liegt, durch die Spalten der Geheimtür. Sobald die Polizisten das bemerken, entdecken sie auch den Gang.«
»Was sollen wir tun?«, ängstigte sich ein Vampir. »Wenn sie nun Pflöcke mitbringen?«
»Oder Fackeln!«, keuchte ein anderer.
»Wenn sie zum Abendessen Knoblauch gegessen haben?«, rief ein Dritter. »Sie werden uns fangen und töten!«
»Du sagtest, es gibt hier einen zweiten Ausgang.« Ich packte Schwarz am Arm. »Wohin führt er?«
»Durch einen Stall«, sagte er. »Wir kommen im zweiten Abteil von links heraus. Dort steht fast nie ein Pferd.«
»Und wenn doch?«
»Dort steht fast nie eins.«
Ich nickte. »Übernimm die Führung, und ihr anderen seid ruhig.«
Schwarz ging voraus, John und ich folgten mit dem Sarg, dahinter kamen die dunkel gekleideten Gestalten, die sich wie Gespenster an unsere Fersen hefteten. Wir durchquerten eine Reihe von Räumen voller Särge, dann ein Zimmer mit zahlreichen Kaninchenkäfigen. Aufgeregt sammelten die Vampire die Tiere ein.
»Kaninchen?«, fragte ich.
»Die sind einfacher einzufangen als Menschen«, entgegnete Schwarz. »Wenn man immer nur ein paar Schlucke trinkt, werden sie schnell wieder gesund.«
»Das ist ja widerlich.«
»Hier – die Tür.« Schwarz hob einen kleinen Riegel an, und die Wand klappte auf. Dahinter entdeckten wir einen mit Stroh ausgestreuten Stall, der bis auf einen Leckstein leer war. Draußen war es fast dunkel.
»Das überrascht mich wirklich«, sagte ich. »Nachdem so viel schiefgegangen ist, hätte ich damit gerechnet, dass hier ein Pferd steht.«
»Leise!«, warnte mich John. Wir schoben uns an Schwarz vorbei in den Stall. »Vielleicht versteckt sich jemand im Dunkel.«
»Wir erkunden die Gegend, ob alles sicher ist«, bot Schwarz an.
»Keine Zeit«, erwiderte ich ungeduldig. »Ihr helft uns am besten, indem ihr in die entgegengesetzte Richtunggeht. Wenn wir in einer großen Gruppe unterwegs sind, entdecken sie uns umso leichter.«
»Genau«, stimmte John zu. Wir schlichen aus dem Stall hinaus, dann durch das rostige Tor und standen schließlich auf einer verlassenen Straße. In einiger Entfernung hörten wir Stimmengemurmel, und an den höheren Gebäuden waberte der Widerschein von Fackeln.
»Bewegt euch dort entlang!«, wies ich Schwarz an und deutete zu den flackernden Lichtern hinüber. »Wir nehmen den anderen Weg.«
Schwarz wurde noch bleicher, als er ohnehin schon war.
»Wie du willst, Erhabener. Wo treffen wir uns wieder?«
»Wenn ich Glück habe, nirgends mehr«, antwortete ich. »Wahrscheinlich sehen wir uns aber noch im Lauf der Nacht, gleichgültig, wohin wir gehen.«
»Viel Glück.« Schwarz und die anderen Vampire schlichen davon. Ich wandte mich zu John um und hob den Sarg an.
»Zum Friedhof.«
Bath · Abenddämmerung
Wir schlichen durch die Stadt, bewegten uns möglichst durch kleine Gassen und erreichten schließlich den Friedhof am Stadtrand – genau jenen Friedhof, auf dem ich fast beerdigt worden wäre und wo der ganze Ärger begonnen hatte. Unter einem alten Baum standen Trauergäste, deren Schatten im schwindenden Tageslicht in die Länge wuchsen. John und ich warteten in sicherer Entfernung, bis sie gingen. Da ich nicht sicher war, ob sich Bekannte darunter befanden, zog ich den Hut tief ins Gesicht und klappte den Mantelkragen hoch, bis nur noch die Augen frei waren. Als die Leute fort waren, näherten wir uns Gustav von hinten. Er ließ den Sarg gerade langsam in das Grab hinunter.
»Hallo, Gustav.«
»Hallo, Federico.« Er drehte sich um, dann erinnerte er sich an die Begleitumstände unserer letzten Begegnung. »Ah! Du bist ein Vampir!« Er wandte sich um und rannte davon. John und ich holten ihn ein, rissen ihn zu Boden und setzten uns auf ihn. Ich presste ihm eine Hand auf den Mund. Nach einer Weile wehrte er sichnicht mehr und starrte uns mit weit aufgerissenen, entsetzten Augen an.
»Wenn ich die Hand von deinem Mund nehme, Gustav, wirst du nicht schreien, ja?«
Er schüttelte den Kopf.
»Heißt das: Nein, du wirst nicht schreien?«, fragte John. »Oder heißt es: Nein, du bist mit unserer Bitte nicht einverstanden und willst schreien? Unsere Sprache ist manchmal recht zweideutig.«
Ich legte den Kopf schief. »Zählt das überhaupt als Sprache? Er hat doch nur mit dem Kopf gewackelt.«
»Tja, es ist nicht die gesprochene Sprache, aber man kann es Sprache nennen«, erklärte
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