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Sarg niemals nie

Sarg niemals nie

Titel: Sarg niemals nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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komisch dabei, da hinabzuklettern und ihn herauszuholen«, gestand John. »Verstehst du das?«
    »Ja«, sagte ich. »Das verstehe ich.«
    »Es kommt mir irgendwie falsch vor, wenn ich es mir recht überlege.«
    »Nein, falsch ist es nicht«, widersprach ich rasch. »Es ist bloß … na ja, nicht richtig. Aber es ist nicht als Grabschändung gemeint. Auf keinen Fall.«
    »Oh«, sagte John. »Nein, bestimmt nicht. Auch wenn wir in gewisser Weise, nun …«
    »Im Grunde tun wir ihm sogar einen Gefallen«, fuhr ich fort. »Denn wir verhindern, dass der Ghul von Bath den Toten … dass er ihn irgendwie …«
    »Indem wir es vorher tun«, ergänzte John. »Aber eben nicht auf schändliche Weise.«
    »Natürlich nicht.«
    »Also, dann …« John holte tief Luft. »Dann müssen wir es eben einfach tun.« Er stieg ins Grab hinab, stellte sich auf den Sarg und versuchte, in der weichen Erde einen festen Halt zu finden. »Heben wir ihn einfach heraus?«
    »Ich glaube schon. Wenn du mir das Ende anreichen könntest?«
    »Zu schwer«, ächzte John, der es schon an einer Ecke versucht hatte. »Einen gefüllten Sarg habe ich noch nie gehoben, und von hier aus kann man nicht richtig zupacken.«
    »Vielleicht könnten wir ihn einfach … auskippen.«
    »Genau hier?«
    »Und dann heben wir den leeren Sarg heraus. Nachdem er … ausgeleert ist.«
    »Also öffnen wir ihn?«
    »Ja.«
    »Fast wünschte ich, der Ghul wäre schon hier«, sagte John. »Er hat doch sicher mehr Erfahrung als wir.«
    »Gustav hat sein Werkzeug vergessen, als er weglief«, sagte ich und reichte eine Brechstange nach unten. »Versuch’s doch damit!«
    John nahm sie und bearbeitete den Sarg. »Es tut uns sehr leid, dass wir dies tun müssen, sehr geehrter … toter Herr, aber wir versprechen Ihnen, es ist auch zu Ihrem Besten.« Er setzte die Brechstange unter den Sargdeckel und hob ihn an. Dann zuckte er zusammen. »Grundgütiger. Es ist eine alte Frau.«
    »Oje.« Ich rieb mir die Schläfen. »Na ja, daran lässt sich nun nichts mehr ändern. Raus mit ihr!«
    »Tut mir leid, Gnädigste.« John reichte mir den Deckel, ehe er sich gegen die Erde stemmte und den Sarg umkippte. »Ich bitte vielmals um Verzeihung«, grunzte er, »und entschuldige mich bei unzähligen enttäuschten Enkelkindern.«
    »Nun schaff ihn schon herauf!«, verlangte ich. Wir hoben und schoben, bis der Sarg oben war, und legten ihn neben das offene Grab. Dann zog ich John aus dem Loch hervor und pochte mit einem Finger auf den Kasten. »Du nimmst den hier, ich steige in Harrys Sarg, und mit Madame Kadaver im Grab zwischen uns müssten wir den Ghul eigentlich anlocken. Alles klar?«
    »Ich hätte mich lieber in einer wärmeren Nacht auf die Lauer gelegt«, sagte John.
    »Dann wünsch dir doch, Harry sei im August gestorben«, erwiderte ich.
    »Wenigstens ist es im Sarg etwas wärmer, oder?«
    »Wärmer?«
    »Ich meine, es ist doch sicher wärmer als in einem offenen Grab.«
    »Du warst doch gerade dort unten«, erinnerte ich ihn. »Gibt es überhaupt einen Platz, der kälter ist als ein offenes Grab?«
    »Ein offenes Grab voller Eis.«
    »Hilf mir mit Harrys Sargdeckel!« Ich nahm das Brecheisen und setzte es unter einer Ecke an.
    »Du musst auch den Wind berücksichtigen«, überlegte John. »Ein ordentliches Grab ist gut mannshoch. Das isoliert nicht schlecht, auch wenn keine Erde auf dir liegt.«
    Ich hebelte den Deckel von Harrys Sarg, warf die Brechstange zu Boden und beugte mich über das Grab.»Wie kalt du es auch finden magst, dir ist auf jeden Fall wärmer als ihnen.«
    »Da hast du wohl recht.« John beugte sich neben mir vor. »Ich muss schon sagen, ich finde die ganze Sache sehr aufregend, ob es nun kalt ist oder nicht. Wer hätte letzte Woche geglaubt, dass John Keats Leichen ausgräbt?«
    »Wir haben die alte Frau gar nicht ausgegraben«, widersprach ich. »Sie war noch nicht beerdigt.«
    »Das macht die Sache erheblich einfacher, wie?«, sagte die junge Frau, die sich neben uns über das Grab beugte. »Wenn man zu tief graben muss, verliert man viel Zeit.«
    Ich blickte zur Seite, an John vorbei, zu der jungen Frau hinüber. Sie war warm eingepackt, die Haut schimmerte im Mondlicht gespenstisch bleich. Das Haar war lang und schwarz und hing ihr links und rechts an den Schläfen hinab, die dunklen Augen musterten uns und die Leiche prüfend, aber mit erschreckendem Gleichmut.
    »Sie waren doch gerade noch nicht da«, meinte John.
    »Nein, war ich nicht.«
    »Frederick«,

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