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Sarg niemals nie

Sarg niemals nie

Titel: Sarg niemals nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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mir bekannter Dichter ließ jemals solche Erfahrungen in seine Werke einfließen. Ich zeig’s dir, Shelley! Wen peinigt nun die größte Angst?«
    »Dir ist vielleicht entgangen, dass der Inspector uns beide töten will«, erinnerte ich ihn.
    »Oh, das ist doch das Beste daran«, erklärte John. »Das macht das Ereignis so einzigartig. Wie soll ich den Tod in den Flammen beschreiben, wenn ich ihn nicht selbst erlitten habe? Glaubst du, die Leser lassen sich einfach so hereinlegen? Nein, das tun sie nicht. Sie merken es, wenn ich die Ereignisse nur erfinde, sie spüren, dass ich nicht aus tiefstem persönlichem Erleben heraus schreibe.Wenn ich aber nicht aus der Erfahrung heraus schreibe, warum sollte ich dann überhaupt schreiben?«
    »Ich glaube, sie werden vor allem bemerken, dass du rein gar nichts schreibst«, erwiderte ich, während ich ins offene Grab sprang, um Marys Werkzeug einzusammeln. »Menschen, die sterben, ob sie nun am Pfahl verbrannt oder auf andere Weise getötet werden, sind gewöhnlich nicht in der Lage, hinterher davon zu erzählen.«
    »Hm«, machte John mit gerunzelter Stirn. »Damit hast du gewiss recht. Deine Darlegung erklärt wahrscheinlich, warum so selten Poesie über den Tod verfasst wird und warum die wenigen Totengedichte, die es gibt, so schlecht sind.«
    »Kann man denn wirklich nur über Begebenheiten schreiben, denen man selbst beigewohnt hat?«, fragte Gwen. »Ich meine, die Lady schreibt ständig über die Liebe, die sie wohl erlebt haben mag, aber sie schreibt auch oft über die Ehe, und wie ich höre, war sie nie verheiratet.«
    »Hast du das wirklich gehört?«, fragte ich.
    »Niemand weiß, wer sie in Wahrheit ist«, gab Gwen zu. »Vielleicht war sie verheiratet, aber darüber ist kaum etwas bekannt.«
    »Deshalb sind ihre Hauptpersonen immer mit Ehepaaren befreundet«, erklärte John. »Auf diese Weise muss sie nicht darüber schreiben, dass sie verheiratet ist, sondern sie schreibt nur über verheiratete Freunde. Und verheiratete Freunde, über die man schreiben kann, hat wohl jeder.«
    »Glaubst du, es bedarf echter Vampire, um Schauerromane zu verfassen?« Ich kletterte mit einer Handtasche voll kalter, blutiger Klingen und Sägen aus dem Grab.»Immerhin sind sie die Einzigen, die so etwas wirklich erlebt haben.«
    »Vampire?«, fragte Gwen neugierig. »Gibt es noch weitere?«
    »O ja«, bestätigte John. »Massenhaft. Sie sind überall, man muss nur richtig hinsehen.«
    »Das gilt auch für aufgebrachte Dorfbewohner«, sagte ich, während ich unsere Siebensachen in Harry Beards Sarg warf. »Sie wollen mich umbringen, und ich diskutiere hier über Romane.« Ich trat auf John zu. »Alles deine Schuld. Du hast dafür gesorgt, dass ich nicht mehr weiß, wo hinten und vorn ist. Lass uns gehen!«
    »Wollen Sie wirklich behaupten, Vampire seien die Einzigen, die alle diese Schauergeschichten schreiben?« Gwen hatte überhaupt nicht zugehört.
    »Wer sonst?«, gab John zurück. »Es gibt nicht viele Menschen, die ihre freie Zeit in nebligen Gassen und auf windumtoster Heide verbringen, die den Sonnenschein fliehen und in der Finsternis aufblühen. Wenn es nicht die Vampire sind, die solche Bücher verfassen, wer sollte es sonst sein? Ich bin selbst erstaunt, dass es mir nicht schon längst aufgefallen ist.«
    »Aber das ist doch das Gleiche wie mit der Lady und den Ehepaaren«, wandte Gwen ein. »Die Charaktere in den Schauerromanen sind Unschuldige, die mit Vampiren, Werwölfen und ähnlichen Kreaturen in Berührung kommen. Ich glaube, es sind eher die Nachbarn der Vampire, die solche Geschichten schreiben, und nicht die Vampire selbst.«
    »Wie wird man überhaupt zum Vampir?«, fragte John. »Wenn man sich mit genügend Vampirnachbarn einlässt, ist man früher oder später selbst einer.«
    »Wenn ich heiraten will, sollte ich also meine Zeit mit Ehepaaren verbringen«, überlegte Gwen. »Ich glaube nicht, dass ich dabei vielen Junggesellen begegne.«
    »Vielleicht ist die Lady auch noch ledig«, mutmaßte John.
    »Das reicht«, sagte ich und fasste John am Arm. »Nimm den Sarg, wir brechen auf.«
    »Das tust du nicht!«, schrie Gwen und hob das Kreuz. Ich achtete nicht darauf, sondern zog mein Sargende über den Friedhof, sodass John mir folgen musste. »Halt!«, verlangte Gwen. »Hört sofort auf!« Sie rannte hinter uns her. »Verdammt, Freddy, warum musstest du dich auch zum Erhabenen krönen lassen? Dieses Kreuz hätte viel mehr Wirkung , wenn du ein gewöhnlicher

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