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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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dann seines Enkels Stephan Steinbastionen daraus. Das Kastell von Sarisberie beherbergte innerhalb der Ringmauer sogar eine massive Kathedrale mit Turm, den Sitz des Bischofs.
    Das Kastell gehörte dem König; er hatte es dem Sheriff, dem Kronbeamten, zu Lehen gegeben. So war es immer in der Regierungszeit Wilhelms des Eroberers und seiner Söhne Rufus und Heinrich gewesen, als der König noch alle Fäden in der Hand hatte und das Kastell ein Symbol für militärische Macht und Ordnung war. Doch vier Jahre zuvor war Heinrichs Neffe Stephan auf den englischen Thron gekommen, und wenn auch sein Anspruch von den meisten Magnaten gestützt und vom Papst sanktioniert war, machte sich bereits eine unterschwellige Unzufriedenheit breit: Es wurde deutlich, daß er nicht so stark wie seine Vorgänger war. Und nun war das Kastell in der Hand des Bischofs, und er stapelte Waffen darin.
    Das nun in fast ganz Europa herrschende Feudalsystem hatte große Schwächen. In den Jahrhunderten nach dem Zusammenbruch des Römischen Imperiums und später des Reichs Karls des Großen im Westen hatten sich zunächst Stämme und dann einzelne Familien ausgedehnte Landstriche angeeignet, die allmählich zu den Ländern eines modernen Europa zusammenwachsen mußten.
    Die einzelnen Feudalherren lagen fast unaufhörlich miteinander in Fehde. Europa war ein großer Fleckenteppich aus Staaten, die gekauft und verkauft wurden, um die gekämpft wurde oder die durch Heirat erworben wurden. Es gab zwar Gesetze für die Verwaltung feudaler Besitzverhältnisse. Das Ergebnis war jedoch, daß es zu einem langwierigen und komplizierten Prozeß endloser Rechtsstreitigkeiten und Anklagen kam, und die feudale Welt wurde von immer neu aufflammender Gewalt beherrscht. Dieses systematisierte Chaos versuchten die Grafen und Herzöge der Normandie zuerst in ihrem Land und dann mit größerem Erfolg im eroberten England in eine Ordnung zu bringen. Bei der Eroberung war das Königreich Haralds, zumindest theoretisch, insgesamt an Herzog Wilhelm gefallen, und obwohl er seinen Hauptanhängern die ausgedehnten Besitzungen der führenden Angelsachsen zugesagt hatte, hatten sie diese nur als seine Lehnsleute gegen Waffendienst zu verwalten. Wenn auch den vertrauenswürdigen Baronen mitunter größere Macht zugestanden wurde, wo die primitive Bürokratie des Königs nicht ausreichte, waren die Rechtsprechung und die meisten Vorteile der Rechtsprechung in Form von Abgaben im allgemeinen Sache des Königs. Ein derart zentralistisches System gab es sonst nirgends in Europa. Das ging gut, solange der König stark war.
    Doch Stephan war schwach, und schon sein Thronanspruch wurde von der Tochter des verstorbenen Königs, der Witwe des deutschen Herrschers, Kaiserin Mathilde, angefochten. Das war genau der Augenblick, auf den die ehrgeizigen englischen Edelleute gewartet hatten: Wenn zwei Seiten um Unterstützung bitten, muß dabei etwas herausspringen. Im Frühjahr 1139 lag Verrat in der Luft. Und niemand war ein größerer Verräter als der Bischof. Roger von Caen, ein Abenteurer niederer Herkunft, hatte sich die Gunst König Heinrichs erworben, so hieß es, weil er als junger Kaplan die Messe schneller als jeder andere lesen konnte, wodurch der König früher zur Jagd kam.
    Er stieg bald zum Kanzler von England auf und ließ die gesamte Regierungsmaschinerie mit eiserner Unnachgiebigkeit für Heinrich ablaufen, was sich mit seiner eigenen Habsucht und seinem Ehrgeiz gut verbinden ließ. Er war ein Priester, doch er hatte Mätressen und einen Sohn, der ihm in seinem Amt folgte. Als Belohnung für die Verdienste seiner Familie machte ihn der König zum Bischof von Sarisberie und seine beiden Neffen zu Bischöfen von Lincoln und Ely, so daß die Familie innerhalb einer Generation zu Reichtum und Macht aufstieg, wie es nur wenigen der höchsten Edelleute des Landes beschieden war. Weiterhin hatten der kränkelnde König Heinrich und der schwache Stephan dem Bischof auch Kastelle zu Lehen gegeben; im Frühjahr 1139 überwachten die Bischöfe außer Sarisberie auch die südlichen Kastelle Malmesbury, Sherborne und Devizes. Und nun lagerte man dort Waffen.
    Godefroi hatte seiner Frau an jenem Morgen anvertraut: »Eine falsche Bewegung des Königs, und wir haben eine Anarchie.« Für den Ritter von Avonsford war das um so schlimmer, als er insgeheim eigene Pläne hatte – Pläne, die ein Bürgerkrieg zunichte gemacht hätte. Er blickte den Handwerker neben sich an und bemerkte: »Du

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