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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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können.«
    Sie sah zu ihm auf. »Er hat ein Reh getötet, nicht wahr? Also wird er gehängt.« Das kam leise und verbittert.
    Er wußte später nicht mehr, was er ihr geantwortet hatte, bevor er weiterritt, aber er wußte, daß sie wohl recht behalten würde. Als der Tag näher rückte, war die Hoffnung nicht größer geworden. Es kam die Nachricht, daß die Aufständischen nicht nur Worcester und Hereford, sondern auch zwei weitere Kastelle im Südwesten erobert hatten.
    »Vielleicht kommt das Forstgericht gar nicht«, äußerte Godefroi dem Aufseher gegenüber.
    Doch Waleran schüttelte den Kopf. »Der König ist noch Herr des ganzen Landes außer dem Westen. Sie kommen bestimmt.« Am Abend vor der Zusammenkunft des swanimote kam Nicholas mit einem letzten Vorschlag zum Ritter. Sein rundes Gesicht wirkte schmaler als sonst, sorgenvoll. Seine kurzen, dicken Finger hielten einen kleinen Lederbeutel, den er dem Ritter feierlich übergab mit der Bitte, ihn zu öffnen. Godefroi zählte den Inhalt auf den Tisch: Es waren neun alte englische Mark – sechs Pfund, eine Summe, die er sich wohl in Jahren zusammengespart hatte. Nicholas stand linkisch da und wollte Godefroi nicht in die Augen sehen, aber er war offenbar zu allem entschlossen.
    »Was soll das, Masoun?« fragte der Ritter. »Für den Weideaufseher«, antwortete Nicholas ernst. Godefroi runzelte die Stirn. »Heißt das, du willst ihn bestechen?« Er dachte an den steifen, pedantischen Aufseher, der mit seinen Abrechnungen bis ins kleinste genau war.
    Nicholas nickte errötend.
    Der Ritter von Avonsford war halb ärgerlich, halb belustigt. »Glaubst du wirklich, daß er es annimmt?«
    »Die Leute sagen das«, murmelte der Steinmetz. Godefroi war überrascht. Er kannte Nicholas ein Leben lang und wußte, daß er nicht log. Anscheinend gab es in Sarum dunkle Geschäfte, von denen er keine Ahnung hatte. »Und du wagst mich zu fragen, ob du das tun sollst?« polterte er los.
    Nicholas blickte zu Boden. Seine Hände zitterten, doch er rührte sich nicht von der Stelle. »Ich bin nur ein armer Leibeigener, Herr. Der Aufseher würde nicht mit mir sprechen.«
    Aber dein Geld würde er nehmen, dachte Godefroi. »Hinaus mit dir!« schrie er.
    Nicholas machte sich eilig davon. Die neun Mark blieben auf dem Tisch liegen.
    Am nächsten Morgen ging Godefroi aus Neugier und mancherlei Gründen früh zum Aufseher. Wortlos warf er ihm den kleinen Beutel zu und war überrascht von der Reaktion. Mit seinem gewohnt gleichmütigen Blick und dem stereotypen Lächeln zählte Le Portier sorgfältig das Geld.
    »Ihr möchtet, daß der Junge davonkommt?« fragte er. »Es sieht so aus«, erwiderte der Ritter trocken. Der Aufseher blickte heiter drein. »Neun Mark sind nicht genug.«
    »Wieviel also?«
    »Für Godric Body? Zwölf Mark.«
    Verächtlich gab ihm der Ritter noch drei Mark. Der Aufseher verbeugte sich höflich.
    »Und wie bekommt Ihr ihn frei?«
    Le Portier überlegte genau, ehe er antwortete. »Das Reh taugte nichts, wißt Ihr«, sagte er gedankenvoll. Das bedeutete, daß es nicht gut genug für die Jagd des Königs war. »Das Verbrechen wäre allerdings immer noch schwer, doch das Gericht wäre nicht so daran interessiert. Sie würden weniger fragen.« Er hielt inne. »Außerdem«, er spitzte die dünnen Lippen, »sah ich kürzlich genau die gleiche Falle ausgelegt, und ein Mann rannte davon. Godric Body war da schon eingesperrt, also hat er die erste Falle wahrscheinlich auch nicht gelegt.« Godefroi hörte aufmerksam zu.
    »Und die durchgeschnittene Kehle des Rehs…« fuhr Le Portier fort. »Ich werde sagen, daß ich es ihm befohlen habe wegen des gebrochenen Laufes. Ich habe angenommen, daß er die Falle gelegt hat, wißt Ihr, also habe ich ihn deshalb mit blutiger Hand erwischt. Natürlich, wenn er es nicht getan hat, konnte ich ihn auch nicht erwischen.« Er schien mit sich zufrieden zu sein. »Natürlich muß der Hund amtlich gekennzeichnet werden. Dafür muß Godric Strafe zahlen.« Godefroi mußte die Schlauheit dieses Menschen bewundern. »Der hätte Pfarrer werden sollen«, murmelte er beim Weggehen düster vor sich hin.
    Ein seltsamer Bursche, dachte er. Er wußte nichts über Le Portiers frühe Vorfahren, und der Gedanke, daß die dazugehörige Familie Porteus mit dem wirklichen König Arthur gekämpft hatte, wäre für ihn in der Tat überraschend gewesen. So murmelte er in einer plötzlichen Erkenntnis: »So unbeugsam und genau wie ein alter Römer, doch für

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