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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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intellektuell, taktlos und anmaßend – ein europäischer Grandseigneur, der erkannt hatte, daß Heinrich nicht fähig war, sein Reich zu regieren, und der nicht umhinkonnte, es an seiner Statt zu tun.
    Außerdem war Montfort zielstrebig und begabt, und er hatte Charisma; er wußte, im Gegensatz zu dem armen Heinrich, genau, was er wollte. Montfort erstrahlte am Himmel der englischen Geschichte wie ein Meteor.
    Im Jahre 1258 überholte er innerhalb weniger Monate den gesamten Regierungsapparat. Im Namen des Königs wurden dreimal jährlich Parlamente, aus Baronen und Rittern bestehend, einberufen. Die königlichen Sheriffs mußten eingesessene Männer sein, die unter Kontrolle gehalten wurden, indem sie nur für ein Jahr im Amt blieben. Ein massives Programm örtlicher Reformen wurde eingeleitet. Und all dies nicht, weil Simon irgendwelchen Prinzipien huldigte, sondern weil er sah, daß für das freiheitlich denkende Volk auf seiner nördlichen Insel sich dieses System am besten eignete.
    Im Oktober 1258 wurde in jedem Grafschaftsgericht eine Proklamation auf lateinisch, französisch und englisch verlesen, die besagte, daß jeder Vollbürger im Königreich der neuen Regierung einen Treueeid zu schwören habe. Bei dieser Gelegenheit legte Peter Shockley den Eid unmittelbar nach Godefroi und dessen Sohn ab.
    »Jetzt bekommen wir eine gute Regierung für unser Geld«, meinte der Sohn mit aufmunterndem Grinsen. »Und Montfort? Was ist mit ihm?« fragte der Kaufmann. Der ältere Godefroi lächelte. »Ein arroganter Bastard«, flüsterte er vertraulich, »aber er hat die Dinge im Griff.«
    Die Ironie des Schicksals trat wenig später zutage, als der Papst seine Meinung änderte und beschloß, Sizilien einem anderen zu geben. Das überraschte niemanden in England außer vielleicht Heinrich. Er hatte sein Reich Simon de Montfort und seinem Rat umsonst überlassen. Doch der Eid galt.
    Zuerst sah es so aus, als würde Heinrichs Sohn mit der Unterstützung Simons rebellieren und den Thron an sich reißen. Dann aber versöhnten sich Vater und Sohn, und Heinrich appellierte an den Papst, die verhaßten Provisionen, die ihm die Hände banden, für null und nichtig zu erklären. Der Papst entsprach der Bitte, und Montfort ging empört ins Exil. Heinrich griff unmittelbar danach auf seine früheren Methoden zurück, berief Ausländer an seinen Hof und ignorierte die Magnaten. Wie abzusehen war, gingen die Barone Montfort um Hilfe an und machten einen Aufstand. Die Lage änderte sich von Monat zu Monat: Einmal war die Königspartei am Ruder, dann wieder wurde der König von den Aufständischen in Schach gehalten. Man stand kurz vor dem Bürgerkrieg, aber noch war kein Blut geflossen.
    So einschneidend diese Ereignisse auch in nationaler Hinsicht waren, so wenig störten sie den Frieden Sarums. Godefroi sprach den meisten Menschen aus dem Herzen mit der Feststellung: »Niemand will Krieg mit dem König. Wir müssen eine Lösung finden.« Die Frage war nur, wie.
    Im Jahre 1263 kam man zu einer Einigung. Beide Seiten wollten sich einem Schiedsspruch fügen.
    Zum Schiedsrichter wurde König Ludwig der Heilige von Frankreich gewählt. Die Wahl konnte nicht besser sein: ein frommer Kreuzfahrerkönig, die Verkörperung all dessen, was ein Feudalherrscher mitbringen sollte, ein Verfechter des Friedens, der nun durch ein Freundschaftsabkommen an England gebunden war. Und da Heinrich ihm lehnspflichtig war, war er gewissermaßen der oberste Lehnsherr des englischen Königs.
    Für Peter Shockley begann am letzten Tag im Januar des Jahres 1264 eine Krise, die sein eigenes Leben völlig veränderte und die ihm befreundete Familie der Godefrois fast ruinierte; es ging um die Mühle. Der Frühling hatte in Sarum zeitig eingesetzt, und der Fluß, an dem die Mühle lag, führte Hochwasser.
    Morgens kam der junge Hugh de Godefroi und wollte mit Peter den Verkauf der Wolle im kommenden Jahr besprechen. Die beiden standen draußen in der feuchtkalten Luft ins Gespräch vertieft, als Jocelin vorbeiritt.
    Der Ritter von Avonsford wurde alt, doch immer noch war er eine gutaussehende, imponierende Erscheinung, stolz aufgerichtet zu Pferde, als ritte er zum Turnier. Sein Raubvogelgesicht war nun von eisengrauem Haar umrahmt, die langen zynischen Falten tief eingekerbt; doch als er zu seinem Sohn und Peter Shockley hinuntersah, lächelte er weich. Jocelin war stolz auf seinen Sohn.
    Hugh war fast dreißig, ein großer hübscher Bursche mit kohlschwarzem Haar

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