Sarum
und dem scharfgeschnittenen Gesicht seines Vaters. Er war mit der Tochter eines Ritters aus Devonshire verheiratet gewesen, die ihm einen Sohn geschenkt hatte, bevor das Fieber sie hinwegraffte. Von seinem achtzehnten Jahr an hatte er sich zur Freude Jocelins in zahlreichen Turnieren hervorgetan und persönliches Lob von dem großen Liebhaber der Turniere, dem Thronfolger Prinz Eduard, empfangen. Das Wappen der Godefrois mit dem weißen Schwan auf rotem Grund wurde nun mit erwartungsvollem Gemurmel von den Tribünen her begrüßt und von den Rivalen mit Besorgnis zur Kenntnis genommen. Im vorangegangenen Sommer hatte Jocelin, nun ebenfalls Witwer, Hugh die Verwaltung seiner Güter übertragen, und er selbst begnügte sich mit seinen Büchern und dem täglichen Ritt durch seine ausgedehnten Besitzungen. An jenem Morgen kam er soeben von dem alten Labyrinth auf dem Hügel, das er hatte restaurieren lassen; er war in guter Stimmung.
»Wann werdet ihr beiden heiraten?« Diese Frage stellte Jocelin jedesmal, wenn er sie traf. Es klang scherzhaft, aber sie wußten, daß es ihm ernst war, einmal damit, daß sein Sohn wieder ein geordnetes Zuhause hätte, und zum zweiten mit einem Enkelkind für seinen alten Freund Edward Shockley, der es selbst längst aufgegeben hatte, seinen Sohn daraufhin anzusprechen.
Ein zweirädriger Wagen kam in raschem Tempo den Weg entlang auf sie zugefahren. Darin saß der alte Edward Shockley, gebrechlich und gebeugt, doch mit dem Ausdruck grimmiger Entschlossenheit im Gesicht. Quietschend kam der Wagen zum Halten, und Shockley rief: »Der König von Frankreich – er hat zu Heinrichs Gunsten entschieden. Montfort und die Provisionen sind erledigt!«
Tatsächlich hatte Ludwig nicht lange gefackelt. Der Fall, den er sich in Amiens anhörte, wo der König von England höchstpersönlich erschien, lag für ihn völlig klar. Er zog nicht einmal einen Kompromiß in Betracht, der die Lage hätte retten können. Der Papst, so erklärte er, habe die aufständischen Barone rechtens zurückgewiesen und niemand dürfe sich der geistlichen Autorität entziehen. Heinrich solle ermächtigt werden, in seinem Reich nach Gutdünken zu verfahren, Freunde und Minister nach Belieben zu wählen, ob es seinen Baronen nun paßte oder nicht. Das, so erinnerte er sie, seien die üblichen Rechte aller Könige.
Das Urteil war umfassend, konservativ und feudalrechtlich korrekt, aber es fiel härter aus, als die englischen Aufständischen befürchtet hatten. Die vier Männer sahen einander an. Keiner zweifelte an dem Ernst der Krise. Es war der endgültige Schiedsspruch – die letzte noch verbliebene friedliche Lösung.
Schließlich brach Jocelin das Schweigen. »Sie müssen sich fügen, denn es ist die Entscheidung König Ludwigs und die des Papstes.«
»Du warst einmal auf Montforts Seite«, erinnerte ihn sein Sohn. »Ja, aber ich bin es nicht mehr. Die Dinge wurden zu weit getrieben.« Dies war der springende Punkt. Seit über einem Jahr hatte der Ritter, als er die Ergebnisse von Montforts Arbeit sah, wachsendes Unbehagen verspürt; viele waren verunsichert durch die Art und Weise, wie Simon und einige seiner Parteigänger den König beleidigten. Es stimmte wohl, daß Heinrich ein unfähiger Regent war, und doch war die Monarchie als solche trotz der Verfehlungen eines Herrschers immer noch eine geheiligte Institution. Die Regeln des Feudalsystems mußten eingehalten werden. Was auch die Folgen sein mochten: Der Urteilsspruch Ludwigs und die Autorität des Papstes mußten anerkannt werden.
»Königtum und Kirche zu reformieren ist eine Sache«, hatte Jocelin mehrfach erklärt, »aber wir können König und Kirche nicht ableugnen. Autorität muß sein.« Diese heiligen Institutionen waren die einzigen Garanten für Moral und Ordnung in Jocelins Welt.
Doch Hugh schüttelte den Kopf. »Nein, Vater, ich ordne mich nicht unter.«
»Nicht König Ludwig? Nicht dem Papst?«
»Nein. Beide sind Ausländer. Und der Papst ist weit weg. Sie verstehen uns nicht.«
Dieses Argument ließ der Ältere nicht gelten. »Das hat nichts zu sagen«, polterte er, »das ist eine Frage des Prinzips. Man hat dem Gesetz zu gehorchen. Und das Gesetz kommt vom König und wird von der Kirche sanktioniert. Das kannst du nicht leugnen.«
»Nein, Vater. Der König selbst untersteht einem höheren Gesetz, einem natürlichen Gesetz, wenn du so willst: der Gemeinschaft des Reiches – einer politischen Ganzheit. Du willst eine Königsherrschaft
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